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Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian

Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian

Titel: Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Bellen
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schon zu den soeben erst aufgetauchten Problemen Rat holen. Gerade wegen seiner frühmorgendlichen Tätigkeit zum Nutzen der
     Allgemeinheit, die Vespasian bereits in Alexandria zu seinem Regierungsstil erhoben hatte, wurde er von Apollonius, dem Neupythagoräer
     aus Tyana/Kappadokien, als vorbildlicher Herrscher gelobt (Philostr. Apoll. 5, 31). Eine weitere Tätigkeit, die Vespasian |100| in den Augen der Öffentlichkeit als vorzüglichen Princeps erscheinen ließ, war die häufige Rechtsprechung auf dem Forum (Cass.
     Dio 66, 10, 5) und überhaupt seine Sorge für Recht und Gesetz. Die Zeitverhältnisse gaben ihm ja reichlich Gelegenheit, sich
     auf diesem Gebiet auszuzeichnen. So hatte das Vierkaiserjahr (69) zu großer Besitzverwirrung geführt. Vespasian setzte eine
     Kommission ein, welche den rechtmäßigen Eigentümern ihr Hab und Gut wiederzusprechen sollte (Suet. Vesp. 10). Den Vatermord
     eines gewissen Macedo, der wegen seiner Schulden nicht mehr aus noch ein wußte, nahm er zum Anlaß, durch Senatsbeschluß verbieten
     zu lassen, daß Söhne, die unter väterlicher Gewalt ständen, Gelddarlehen aufnähmen. Banken, die dennoch solche Darlehen gewährten,
     begäben sich des Rechts, sie jemals einzufordern, auch nicht nach dem Tode der betreffenden Väter
( SC Macedonianum
: Dig. 14, 6, 1 pr.). Insgesamt erwarb Vespasian sich den Ruf, seinen Prinzipat „bürgerfreundlich“
( civilis
) und „nachsichtig“
( clemens
) geführt zu haben (Suet. Vesp. 11).
    Titus folgte seinem Vater auf dem Weg, durch Ausübung der
clementia
dem Prinzipat Leuchtkraft zu verleihen (Cass. Dio 66, 18, 5). Aber dazu mußte er eine Kehrtwendung gegenüber seinem bisherigen
     Verhalten vollziehen. Denn dieses hatte ihm den Ruf der „Grausamkeit“
( saevitia
) eingebracht (Suet. Tit. 7, 1). Sein Vorgehen gegen A. Caecina Alienus und T. Clodius Eprius Marcellus, die er 79 noch als
     Mitregent wegen angeblicher Umsturzpläne beseitigte, war in frischer Erinnerung. Hinzu kam, daß die Anwesenheit seiner Geliebten,
     der Königin Berenice, in Rom (seit 75) ihm den Haß breiter Kreise eingetragen hatte. Als äußeres Zeichen seiner ‘Wand lung ’ trennte sich Titus 79 von Berenice und suchte als Princeps das Wohlgefallen der Menschen zu erringen. Das gelang ihm in
     so vollkommener Weise, daß man in ihm den Inbegriff des Wohltäters sah. Sein Ausruf „Ich habe einen Tag verloren“, weil er
     einmal keine Wohltat aufzuweisen hatte, ging unter die Sprichwörter ein (Suet. Tit. 8, 1). Als schönes Beweisstück einer huldvollen
     Entscheidung
( indulgentia
) hat sich der Brief an die Stadt Munigua/Baetica aus dem Jahre 79 erhalten, in dem Titus auf das Bußgeld (50   000 Sesterzen) verzichtete, das die Stadt wegen eines verlorenen Appellationsprozesses zahlen mußte (Année épigr. 1962, 288).
     Vom Rechtsempfinden des Kaisers zeugt der von ihm initiierte Senatsbeschluß, der verbot, daß ein Prozeß wegen ein und desselben
     Tatbestandes mit Bezug auf verschiedene Gesetze mehrmals anhängig gemacht werde (Suet. Tit. 8, 5; Dig. 48, 2, 14; sprichwörtl.:
ne bis in idem
). Als |101| Titus nach nur zweijähriger Regierung im Jahre 81 starb, betrauerte man ihn als „Liebling des Menschengeschlechts“ (Suet.
     Tit. 1).

Bei Domitian verlief die Prinzipatsentwicklung im Hinblick auf die vornehmste Herrschertugend in umgekehrter Weise wie bei
     seinem Bruder, nämlich von der
clementia
zur
saevitia
(Suet. Dom. 10, 1). Dabei war die
clementia
Domitians in starkem Maße von seinem Gerechtigkeitssinn geprägt, der ihn manchmal sogar in Gegensatz zu Entscheidungen seines
     Vaters und Bruders treten ließ. So gab er in einem Brief an die Stadt Falerno/Picenum 82 den Besitzern von sogenannten
subsiciva
(oben S. 91f.) recht, welche das Verjährungsprinzip gegenüber Ansprüchen der Kolonie Firmum geltend machten (Corp. Inscr.
     Lat. IX 5420; vgl. Suet. Dom. 9, 3). Ansonsten befand Domitian sich bei seiner jurisdiktionellen Tätigkeit in Übereinstimmung
     mit den Intentionen seiner beiden Vorgänger, so, wenn er gegen die Delatoren vorging (Suet. Dom. 9, 3; vgl. Tit. 8, 5) oder
     wenn er mit großem Eifer auf dem Forum Gericht hielt (Suet. Dom. 8, 1; vgl. für Vespasian Cass. Dio 66, 10, 5). Ein besonderes
     Verdienst erwarb Domitian sich durch strenge Überwachung der Beamten in Rom und den Provinzen, so daß ihrer Amtstätigkeit
     insgesamt das Lob zuteil wurde, sie sei niemals maßvoller und gerechter gewesen (Suet. Dom. 8, 2). Daß mit

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