Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
diesem Herrschaftsverständnis
„Grausamkeit“
( saevitia
) einherging und schließlich sogar die Überhand gewann, war teils in Domitians Natur begründet, hatte aber zum größten Teil
seine Ursache in der Erkenntnis, daß man seinem selbstherrlichen Wesen versteckt oder offen Widerstand entgegensetzte (Liste
der Opfer: Suet. Dom. 10).
Der soeben erwähnte Entscheid Domitians hinsichtlich der
subsiciva
brachte für die zahlreichen Kolonien Italiens eine Klärung der durch Vespasians Fiskalismus (oben S. 91f.) entstandenen Rechtsunsicherheit.
Dagegen schuf Domitian für ganz Italien neue Unsicherheit durch sein den Weinbau betreffendes Edikt (91 / 92). Ausgelöst wurde es durch eine sehr gute Weinlese, die aber begleitet war von einer schlechten Getreideernte. Domitian
verbot nun, neue Rebenanpflanzungen vorzunehmen, wobei er davon ausging, daß diese zu Lasten des Getreideanbaus gingen. Für
die Provinzen brachte das Edikt einen noch stärkeren Eingriff in das Anbausystem: der Weinbau sollte um die Hälfte zugunsten
des Ackerbaus verringert werden (Suet. Dom. 7, 2). Wenn auch die Anordnung Domitians nicht streng ausgeführt, in einem Falle
– Asia – sogar ausdrücklich zurückgenommen wurde (Philostr. vit. soph. 1, 21, |102| 2 + 6), so hatte sie doch eine drohende Wirkung: sie öffnete Schikanen von seiten der Behörden Tür und Tor.
Das bekannteste Ereignis im Italien der Flavierzeit war der Ausbruch des Vesuvs am 24. August 79: Gewaltige Explosionen stießen
am Mittag dieses Tages eine pinienförmige Gesteins- und Aschenwolke aus dem Krater, die vom Wind nach Südosten getrieben wurde
und in einer Ellipse von 70 km Länge niederging. Dadurch wurden Pompeii und Stabiae mit Bimsstein und Asche überdeckt; 3,50
m betrug die Schicht in Pompeii. Erdstöße und ausströmende Gase vollendeten das Inferno. Währenddes wurde westlich vom Vesuv
Herculaneum durch Schlammströme begraben, die sich 20m dick ablagerten. Drei Tage dauerte der Vesuvausbruch, der vielen Menschen
den Tod brachte und drei blühende Städte in der Erde verschwinden ließ. Anderthalb Jahrtausende vergingen, bis man wieder
auf sie stieß und dann noch 150 Jahre, ehe mit systematischen Grabungen begonnen wurde, 1738 in Herculaneum, 1748 in Pompeii,
1749 in Stabiae. Nach und nach kam alles ans Licht, was Asche und Schlamm konserviert hatten, so daß sich heute die drei kampanischen
Städte, insbesondere Pompeii, als Repertorien des täglichen Lebens von einst darbieten.
In Stabiae wurde der ältere Plinius (C. Plinius Secundus) ein Opfer des Vesuvausbruchs. Er war von Misenum mit Schiffen der
Flotte, die er befehligte, hierhergeeilt, um Hilfe zu leisten. Seinen Tod fand er durch Schwefelgase, an denen er erstickte.
So berichtete es jedenfalls sein Neffe, der jüngere Plinius, dem Geschichtsschreiber Tacitus (Plin. min. ep. 6, 16). Außer
der Hilfsbereitschaft war es auch Wißbegierde, die Plinius in die Nähe des Vesuvs trieb. Hatte er doch eine umfangreiche ›Naturalis
historia‹ verfaßt und zwei Jahre zuvor (77) seinem Freund Titus gewidmet – dem jetzigen Kaiser. Dieser war nun, zwei Monate
nach seiner Prinzipatsübernahme durch die Katastrophe in Kampanien gefordert. Er ließ sofort aus den Konsularen zwei Männer
auslosen, die er als
curatores restituendae Campaniae
in die betroffene Region entsandte (Suet. Tit. 8, 4; Cass. Dio 66, 24, 3). Über die von ihnen eingeleiteten Hilfsmaßnahmen
informierte er sich an Ort und Stelle. Schließlich war Kampanien eine der bedeutendsten Landschaften Italiens!
Was die Provinzen betrifft, so hat der Chronist der Flavierzeit von mancherlei Aktivitäten und Entwicklungen zu berichten.
Zu beginnen wäre in Spanien, weil diesem Provinzkomplex ein spektakuläres
beneficium
zuteil wurde. Vespasian verlieh 73 / 74 in seiner Zensur den spanischen Städten das latinische Recht, d. h., er gab |103| ihnen die Möglichkeit, Munizipien zu werden, deren Jahresbeamte das volle römische Bürgerrecht erlangten (Plin. nat. hist.
3, 30). Schon 75 dankten ihm die ersten Neubürger dieser Art (Corp. Inscr. Lat. II 1610). Der Prozeß der Munizipalisierung
zog sich über längere Zeit hin. Richtig in Gang kam er erst durch ein unter Domitian 82 oder 83 vom Volk beschlossenes Gesetz
( lex Lati
), das die Einzelheiten für die Munizipalordnungen festlegte (W. D. Lebek, Zeitschr. f. Papyr. u. Epigr. 107, 1995, 135 – 194). Solche sind aus Malaca und
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