Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kalte Zeit

Die Kalte Zeit

Titel: Die Kalte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
Vom Netzwerk:
in Smalltalk.« Zagrosek grinste. »Aber ich verspreche Besserung.« Er sah sich um, auf der Suche nach einem Thema. »Dein neues Sofa gefällt mir.«
    »Ja, es ist ganz bequem, nicht? Man könnte sogar drauf schlafen. Wenn man die Rückenlehnen wegnimmt.«
    Zagrosek spürte, wie Veras Blick ihn streifte. »Wirklich? Zeig doch mal.«
    Vera stand auf und stellte die fest gepolsterten Kissen auf den Boden.
    »Und da soll man zu zweit drauf passen?«, fragte Zagrosek.
    »Schwierig. Aber von ‚zu zweit’ hab ich ja auch nichts gesagt.«
    Beide schwiegen einen Moment, in den Anblick des Sofas vertieft.
    »Ich wüsste, wie es gehen könnte«, meinte Zagrosek. »Aber das musst du selbst raus finden. Ist ja schließlich dein Sofa.«
    Vera lächelte. Sie legte sich hin und zog Zagrosek zu sich hinunter, bis er auf ihr lag. Vera schloss die Augen. Zagrosek betrachtete ihr kastanienbraunes Haar und die zarte Haut in ihrer Halsbeuge. Und dann küsste er sie.
    Ein störendes Geräusch drang an sein Ohr, wiederholte sich hartnäckig, bis Zagrosek begriff, dass sein Diensthandy klingelte.
    Er löste sich aus Veras Armen und ging zu seiner Lederjacke an der Garderobe im Flur. Das Handy machte sich mit ansteigender Lautstärke wichtig. Zagrosek erkannte Wiebke Blessings Nummer und nahm das Gespräch an. »Wiebke. Was gibt’s?«
    »Tut mir leid, dich zu wecken. Wir haben einen Toten in einer Tannenbaumplantage. Branddelikt.«
    Zagrosek war nach sechs Jahren bei der Mordkommission an den Anblick von Toten gewöhnt, aber den ersten verbrannten menschlichen Körper, den er gesehen hatte, hatte er so schnell nicht vergessen können. Besonders die Gerüche ließen sich schwer verdrängen.
    »Wo?«, fragte er.
    »In Herkenbroich. Das ist nordwestlich von Neuss, irgendwo hinter Büttgen in der Pampa. Ich besorge den Tatortbulli und warte vor dem Präsidium auf dich.«
    »Gut. Bis gleich.« Zagrosek drückte die Stopptaste und wandte sich Vera zu um. Sie stützte den Arm auf und sah ihn an. Zagrosek wollte nicht gehen. Er wollte sich zu ihr legen. Sie würde ihn umarmen, ihn den Tod vergessen lassen, der auf ihn wartete. Doch wie von unsichtbaren Fäden geführt, zog er seine Jacke an.
    »Das ist nicht dein Ernst«, meinte Vera. »Jetzt, wo ich weiß, wie mein Sofa funktioniert.«
    »Du wusstest, dass ich Bereitschaft habe.«
    »Verdammt. Es ist mein Geburtstag . . .« Sie drehte ihm den Rücken zu.
    Zagrosek trat zu ihr und küsste sie auf den Nacken.
    »Kommst du nachher wieder?«, fragte sie.
    Zagrosek atmete aus. »Würde ich gern, aber du weißt doch . . . Das wird sehr spät.« Manchmal hasste er seinen Job. »Ich ruf dich morgen an, ja?«
    Vera reagierte nicht. Zagrosek ging zur Tür, blickte ein paar mal zurück. Sieh mich wenigstens noch einmal an.
    Vera wandte sich um und pustete einen Handkuss in seine Richtung. Dann vergrub sie ihr Gesicht in der Armbeuge.
     
    Zagrosek parkte den Tatortbulli an der Polizeiabsperrung. Hinter einem Metallzaun strahlten Scheinwerfer auf den Fundort. Schwarze Baumgerippe, soweit das Auge reichte.
    »Das muss eine Tannenbaumkultur gewesen sein«, sagte Wiebke Blessing auf der Beifahrerseite.
    Wie eine Kamera, die Momentaufnahmen schießt, nahm Zagrosek die Szenerie in sich auf: Ein Tanklöschfahrzeug der Feuerwehr. Lennart Hages schwarzer Kombi, der an einen Leichenwagen erinnerte. Ein Bus der Spurensicherung. Rot-weißes Absperrband. Ein Streifenwagen, die Kollegen mit weißen Schutzanzügen vor schwarzem Hintergrund. Zwei Zivilisten, ein Mann und eine Frau, vor dem Zaun. Ein älterer Mann, etwa zwanzig Meter von dem Paar entfernt, die Arme verschränkt. Einsam. Zagrosek wusste selbst nicht, wieso er das dachte. Es musste an der Körperhaltung des Mannes liegen, abweisend und stolz.
    Zagrosek öffnete die Wagentür. Die Kälte der Dezembernacht schlug ihm entgegen. Blessing stieg auch aus und wartete, bis er den Kofferraum geöffnet hatte. Zagrosek tauschte seine geliebte Lederjacke gegen einen Anorak. Beide zogen Schutzanzüge über. Blessing stützte sich mit einer Hand an seiner Schulter ab, als sie die Lederschuhe mit den halbhohen Absätzen gegen Gummistiefel tauschte. Dann gingen sie durch das Tor. Zagrosek atmete flach, aus der Plantage stank es unangenehm nach kalter, nasser Asche.
    Ein junger Mann mit Wollmütze und Schal kam auf sie zu. »Herbert Kruse. Kriminalwache Neuss.«
    »Tom Zagrosek, KK11. Meine Kollegin Wiebke Blessing.«
    »Euer Brandsachverständiger ist schon da«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher