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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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würde es ihr verweigern, trotz seines Reichtums und seiner Zuneigung. Alle diese jungen Leute in Paris haben zwanzig-oder dreißigtausend Francs Einkommen, das heißt: kaum soviel, um in der Welt, in der sie leben, bestehen zu können. Sie wissen selbst, daß sie als Geliebter einer Frau wie Marguerite nicht einmal deren Wohnung und Bedienung mit dem, was sie ihr geben, bezahlen. Sie geben sich den Anschein, als wüßten sie das nicht. Und wenn die Geliebte ihnen langweilig wird, gehen sie. Wenn sie eitel sind und meinen, allen Ansprüchen genügen zu können, dann richten diese Dummköpfe sich zugrunde, gehen nach Afrika, nehmen sich dort das Leben und hinterlassen in Paris hunderttausend Francs Schulden. Glauben Sie, die Frau sei ihnen dafür dankbar? Nicht im geringsten! Im Gegenteil, sie sagt, sie habe ihnen ihre Position geopfert und, während sie mit ihnen zusammenlebte, obendrein Geld verloren! Oh, Sie finden diese Dinge schamlos? Sie sind aber wahr. Ich finde, Sie sind ein netter
Junge, und ich habe Sie gerne. Aber ich lebe seit zwanzig Jahren unter ausgehaltenen Frauen und weiß, wie sie sind und was sie wert sind. Ich möchte nicht, daß Sie die Laune eines hübschen Mädchens ernst nehmen. Außerdem muß ich hinzufügen', fuhr Prudence fort, ,daß Marguerites Liebe zu Ihnen so groß ist, daß sie auf den Grafen und auf den Herzog verzichten würde, wenn diese von der Beziehung etwas erfahren sollten und sie vor die Wahl stellten: der andere oder ich, ein Opfer, das sehr groß wäre. Und welch entsprechendes Opfer könnten Sie bringen? Wenn Sie ihrer überdrüssig wären, wenn Sie nichts mehr von ihr wollten, was würden Sie tun, um sie zu entschädigen für das, was sie um Ihretwillen aufgab? Nichts. Sie hätten sie abgesondert von der Welt, in der sie lebt, die ihr Glück und Zukunft bedeuten. Sie hätte Ihnen ihre schönsten Jahre geopfert. Sie würde vergessen sein. Wenn Sie ein gemeiner Mann wären, würden Sie ihr außerdem noch ihre Vergangenheit vorwerfen. Sie würden ihr sagen, daß Sie, wenn Sie von ihr gehen, genauso handeln wie alle anderen Liebhaber auch, und würden sie in unsagbar trauriger Verfassung allein lassen. Wenn Sie ein Ehrenmann sind, dann würden Sie sich verpflichtet fühlen, bei ihr zu bleiben und sich dadurch selbst ins Unglück bringen. Denn eine solche Verbindung ist entschuldbar bei einem jungen Mann, nicht aber bei einem reifen. Sie wird ihm zu einem stetigen Hindernis. Sie steht der Gründung einer Familie im Wege und verbietet die Verwirklichung ehrgeiziger Pläne. Und der Ehrgeiz ist die zweite und letzte Liebe des Mannes. Glauben Sie mir, mein Freund, nehmen Sie nichts wichtiger, als es ist. Nehmen Sie die Frauen so, wie sie sind, und geben Sie einem ausgehaltenen Mädchen nicht das Recht, sich Ihre Gläubigerin zu nennen, für was auch immer es sei.'
Das alles war sehr vernünftig und von einer Logik, die ich Prudence niemals zugetraut hätte. Ich mußte ihr in allem recht geben. Ich reichte ihr die Hand und dankte ihr für ihre guten Ratschläge.
,So, und jetzt verjagen Sie diese ernsten Gedanken und lachen Sie. Das Leben ist reizend, mein Lieber, und immer so, wie man es sehen will. Fragen Sie Ihren Freund Gaston. Er scheint mir in der Tat die Liebe so zu verstehen wie ich. Sie müssen sich auch von dieser Art zu leben überzeugen lassen, sonst werden Sie langweilig. Nebenan ist eine schöne Frau, sie wartet ungeduldig, daß der Mann geht, der bei ihr ist. Sie denkt nur an Sie. Ihnen soll diese Nacht gehören. Und sie liebt Sie, dessen bin ich sicher. Jetzt wollen wir zusammen ans Fenster gehen und zusehen, wie der Graf fortfährt. Er wird nicht länger zögern, uns den Platz zu überlassen.'
Prudence öffnete das Fenster und wir beugten uns hinaus. Sie betrachtete die vereinzelten Fußgänger, ich träumte vor mich hin. Alles, was sie mir gesagt hatte, wirbelte in meinem Kopf durcheinander. Ich mußte ihr recht geben, aber meine tiefe Liebe zu Marguerite wollte alle diese Gründe nicht gelten lassen. So seufzte ich von Zeit zu Zeit tief. Prudence wandte sich um und hob nur die Schultern wie ein Arzt, der über seinen Patienten verzweifelt.
Wenn man bedenkt, wie kurz das Leben ist, sagte ich mir, wie rasch die Ereignisse einander folgen. Ich kenne Marguerite erst seit zwei Tagen. Seit gestern erst ist sie meine Geliebte. Und schon beherrscht sie mein Herz und meine Gedanken, ja mein ganzes Leben so sehr, daß ich den Besuch des Grafen von G... als ein Unglück

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