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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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empfangen. Er versprach ihr, sie dürfe so bleiben, wie sie sei, und schwor, er werde ihr bis ins Grab hinein niemals einen Vorwurf machen. So lagen die Dinge drei Monate nach Marguerites Rückkehr, also im November oder Dezember 1842.
     

III
     
    Am Sechzehnten, um ein Uhr, begab ich mich in die Rue d'Antin.
Schon am Eingangsportal hörte man die lauten Stimmen der Taxatoren. Die Wohnung war voll Neugieriger. Alle stadtbekannten Erscheinungen der Lebewelt waren anwesend. Sie wurden verstohlen von einigen vornehmen Damen gemustert. Noch einmal hatten sie die Auktion zum Vorwand genommen, um, ohne sich etwas zu vergeben, die seltene Gelegenheit wahrzunehmen, jene Frauen, die sie vielleicht insgeheim um ihre leichtfertigen Freuden beneideten, aus der Nähe zu sehen.
Die Herzogin von F... berührte mit ihrem Ellenbogen fast Fräulein A..., eine der betrüblichsten Erscheinungen unter den derzeitigen Kurtisanen; die Marquise von T... zögerte, ein Möbelstück zu erwerben, als Frau D..., die zur Zeit eleganteste und bekannteste Ehebrecherin, mehr dafür bot; der Herzog von Y..., der in Madrid lebte, um sich in Paris zu ruinieren und umgekehrt, der sogar sein Geld für die Rückreise verschleuderte, plauderte mit Frau M... Als eine unserer geistvollsten Erzählerinnen schrieb sie von Zeit zu Zeit gern das nieder, was sie gesagt hatte, und sah ihren Namen gerne unter dem von ihr Geschriebenen. Gleichzeitig wechselte der Graf aber auch vertrauliche Blicke mit Frau N..., der elegantesten Müßiggängerin auf den Champs-Elysées. Ihre Kleider hatten fast immer die Farben Blau oder Rosa. Zwei kräftige, schwarze Pferde, die Toni ihr für zehntausend Francs verkauft hatte und die sie auch bezahlt hatte, zogen ihren Wagen. Endlich war noch Fräulein von R... anwesend, die sich mit ihren Verführungskünsten das Doppelte von dem verdient hatte, was eine reiche Frau allgemein als Mitgift erhält, und das Dreifache von dem, was ihre Gefährtinnen sich erwarben. Trotz der Kälte war sie gekommen, um einiges zu ersteigern, und wurde nicht wenig beachtet. Viele der Anwesenden, die sich gegenseitig mit erstaunten Blicken maßen, konnten wir noch mit Namen nennen, müßten wir nicht befürchten, den Leser damit zu ermüden. Wir wollen nur noch die merkwürdig anmutende Heiterkeit aller Anwesenden erwähnen, und daß viele von ihnen die Verstorbene gekannt hatten, sich ihrer jetztaber nicht mehr zu erinnern schienen. Überall wurde laut gelacht. Die Taxatoren schrien aus vollem Halse. Die Händler hatten die Bänke vor den Verkaufstischen überflutet und bemühten sich vergebens um Ruhe, um ihre Geschäfte ungestört abwickeln zu können. Eine buntere und lärmendere Gesellschaft ließ sich nicht denken.
Bescheiden schob ich mich in den für mein Gefühl unangemessenen Tumult hinein und mußte daran denken, daß gleich nebenan in dem Gemach das arme Wesen, dessen Mobiliar hier zur Deckung seiner Schulden versteigert wurde, sein Leben ausgehaucht hatte.
Da ich nicht gekommen war, um zu kaufen, sondern um zu beobachten, betrachtete ich die Gesichter der Lieferanten, die versteigern ließen. Jedesmal, wenn ein Gegenstand einen höheren Preis erzielte, als sie gedacht hatten, hellten sich ihre Züge auf. So also sahen Vertreter des ehrbaren Handelsstandes aus, die mit der Käuflichkeit dieser Frau spekuliert hatten. Cent um Cent hatten sie an ihr verdient, sie bis in die letzte Stunde ihres Lebens mit Wechseln verfolgt und waren nun nach ihrem Tode gekommen, um die Früchte ihrer Spekulationen und die Wucherzinsen für ihre Anleihen einzutreiben. Mit Recht hatte man in der Antike für die Händler und für die Diebe ein und denselben Gott.
Die Kleider, die Schale und der Schmuck waren rasch verkauft. Ich wartete noch, denn von diesen Dingen hatte mich nichts interessiert. Plötzlich hörte ich rufen: »Ein Buch, wundervoll gebunden, mit Goldschnitt, Titel: Manon Lescaut. Es ist etwas hineingeschrieben, auf die erste Seite: Zehn Francs!«
»Zwölf«, sagte eine Stimme nach kurzer Pause. »Fünfzehn«, ich.
Warum? Ich wußte es selbst nicht. Vielleicht deshalb, weil etwas hineingeschrieben war.
»Fünfzehn«, wiederholte der Taxator. »Dreißig!« rief der erste Interessent, in einem Ton, der zum Mehrbieten herausforderte. Es wurde ein Kampf.
»Fünfunddreißig!« rief ich im gleichen Ton. »Vierzig.« »Fünfzig.« »Sechzig.« »Hundert.«
Ich muß gestehen, daß es mir mit diesem letzen Gebot gelungen war, alle zu beeindrucken. Es folgte

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