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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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derartigen Verbrechen zu veranlassen? Wissen Sie, was ich da tat? Ich malte mir aus, daß sich diese Frau über mich lustig mache. Ich dachte an die Worte, die sie mir in der Nacht gesagt hatte. Ich stellte sie mir in ihrem Tete-ä-tete mit dem Grafen vor und wie sie ihm dieselben Worte sagen würde, die sie in der vergangenen Nacht zu mir gesagt hatte. Dann nahm ich eine Fünfhundert-Francs-Note und sandte sie ihr mit den Worten:
,Sie sind heute morgen so rasch fortgegangen, daß ich vergaß, Sie zu bezahlen. Hier ist der Preis für die Nacht.'
Als ich den Brief abgeschickt hatte, ging ich fort. Ich wollte mich ablenken und keine Reue über diese Gemeinheit aufkommen lassen.
Ich ging zu Olympia. Sie probierte neue Kleider an. Als wir alleine waren, sang sie mir zweideutige Lieder vor, um mich zu zerstreuen. Sie war ganz der Typ einer Kurtisane ohne Scham, Herz und Geist, für mich jedenfalls. Vielleicht hat ein anderer Mann in seinen Träumen das aus ihr gemacht, was Marguerite mir bedeutete. Sie bat mich um Geld. Ich gab es ihr. Dann ging ich nach Hause zurück. Marguerite hatte nicht geantwortet. Ich brauche nicht zu betonen, in welcher Erregung ich den nächsten Tag verbrachte. Um sechs Uhr brachte ein Bote mir einen Umschlag. Mein Brief und der Geldschein waren darin, nicht ein Wort von ihr.
,Wer hat Ihnen das gegeben?'
,Eine Dame, die mit ihrer Zofe mit der Postkutsche nach Boulogne abgereist ist. Sie hat mich beauftragt, den Brief erst dann zu bestellen, wenn der Wagen den Posthof verlassen habe.' Ich eilte zu Marguerite.
,Die gnädige Frau ist heute um sechs Uhr nach England abgereist', antwortete der Portier.
Jetzt hielt mich nichts mehr in Paris, weder Haß noch Liebe. Ich war von all den Erregungen erschöpft. Einer meiner Freunde wollte in den Orient reisen. Ich eilte zu meinem Vater und teilte ihm meinen Wunsch, ebenfalls dorthin zu reisen, mit. Mein Vater gab mir Wechsel und Empfehlungen, und zehn Tage später schiffte ich mich in Marseille ein. In Alexandrien hörte ich durch einen Botschaftsattaché den ich einige Male bei Marguerite gesehen hatte, von der Krankheit des armen Mädchens.
Ich schrieb ihr also einen Brief. Ihre Antwort darauf haben Sie gelesen. Ich erhielt sie in Toulon.
Jetzt müssen Sie nur noch die Blätter lesen, die Julie Duprat mir gab. Sie sind eine unentbehrliche Ergänzung meiner Erzählung.«
     

XXV
     
    Armand war ermüdet durch das lange Sprechen, das oft von Tränen erstickt wurde. Er legte seine beiden Hände auf die Stirne und schloß die Augen. Er wollte wohl nachdenken oder zu schlafen versuchen. Vorher hatte er mir die mit Marguerites Schriftzügen beschriebenen Seiten gegeben. Kurz darauf sagten mir seine rascheren Atemzüge, daß er eingeschlummert war. Ich verhielt mich still, denn das geringste Geräusch konnte ihn aufwecken. Folgendes las ich und schrieb ich ab, ohne ein Wort hinzuzufügen:
»Heute ist der 15. Dezember. Seit drei Tagen fühle ich mich nicht wohl. Heute bin ich im Bett geblieben. Das Wetter ist trübe; ich bin traurig. Niemand ist bei mir, und ich denke an Sie, Armand. Wo sind Sie jetzt, während ich diese Zeilen schreibe? Weit weg von Paris, sehr weit weg, hat man mir gesagt. Vielleicht haben Sie Marguerite, die Ihnen die einzigen glücklichen Stunden ihres Lebens verdankt, schon vergessen. Ich konnte der Versuchung, Ihnen eine Erklärung für mein Verhalten zu geben, nicht widerstehen. Ich habe Ihnen einen Brief geschrieben. Aber wenn er von einem Mädchen wie mir geschrieben ist, dann scheint so ein Brief eher eine Lüge als ein Bekenntnis zu sein, es sei denn, der Tod heilige ihn.
Heute bin ich krank, ich kann an dieser Krankheit sterben. Denn ich hatte schon immer das Gefühl, als müsse ich jung sterben. Meine Mutter starb an der Schwindsucht. Und so, wie ich bisher gelebt habe, kann sich meine Anfälligkeit nur vergrößert haben. Dieses Leiden ist das einzige Erbe meiner Mutter! Aber ich will nicht sterben, ohne daß Sie erfahren, wie Sie mich beurteilen müssen, wenn Sie nach Ihrer Rückkehr noch ein Interesse für das arme Mädchen haben, das Sie vor Ihrer Abreise liebten. Ich bin glücklich, das, was in dem Brief stand, noch einmal schreiben zu können, weil es ein erneuter Beweis meiner Rechtschaffenheit ist.
Sie werden sich erinnern können, Armand, wie die Ankunft Ihres Vaters uns in Bougival überraschte. Sie werden sich auch des Schreckens erinnern, den ich unwillkürlich empfand, der Szene, die stattfand zwischen Ihnen und ihm,

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