Die Kammer
dessen Veranda Unkraut wucherte und Efeu in die Fenster kroch. Es stand fünfzig Meter von der Straße entfernt, und der Kiesweg, der zu ihm hinführte, war von tiefen Rinnen durchzogen und unpassierbar. Wo einst der Rasen gewesen war, wuchsen jetzt wilde Negerhirse und Kletten. Der Briefkasten war in den Straßengraben gekippt und kaum zu sehen.
»Das Anwesen der Cayhalls«, murmelte sie, und sie saßen lange im Wagen und betrachteten das deprimierende kleine Haus.
»Was ist damit passiert?« fragte Adam schließlich.
»Oh, es war ein gutes Haus. Aber es hatte kaum eine Chance. Die Bewohner waren eine Enttäuschung.« Sie nahm langsam ihre Sonnenbrille ab und wischte sich über die Augen. »Ich habe achtzehn Jahre lang hier gewohnt und konnte es kaum erwarten, von hier wegzukommen.«
»Weshalb wurde es aufgegeben?«
Sie holte tief Luft und versuchte, die Geschichte auf die Reihe zu bringen. »Soweit ich weiß, war es schon seit vielen Jahren schuldenfrei, aber Daddy nahm eine Hypothek darauf auf, um die Anwälte bei seinem letzten Prozeß bezahlen zu können. Er kehrte bekanntlich nicht nach Hause zurück, und irgendwann hat die Bank die Hypothek für verfallen erklärt. Es gehörten achtzig Morgen Land dazu, und alles ging mit drauf. Seit der Zwangsvollstreckung war ich nicht mehr hier. Ich habe Phelps gebeten, es zu kaufen, aber er hat nein gesagt. Ich konnte ihm keinen Vorwurf daraus machen. Im Grunde wollte ich es selbst nicht haben. Später habe ich von Bekannten gehört, daß es mehrere Male vermietet wurde; schließlich ist es dann vermutlich aufgegeben worden. Ich wußte nicht einmal, ob das Haus noch steht.«
»Was ist mit der persönlichen Habe geschehen?«
»Die Bank hatte mir gestattet, am Tag vor der Zwangsvollstreckung hineinzugehen und alles einzupacken, was ich haben wollte. Ich habe einiges mitgenommen - Fotoalben, Andenken, Jahrbücher, Bibeln, einige der Sachen, an denen Mutter gehangen hatte. Sie sind in Memphis eingelagert.«
»Ich würde sie gerne sehen.«
»Das Mobiliar lohnte das Aufheben nicht, es war kein anständiges Stück darunter. Meine Mutter war tot, mein Bruder hatte gerade Selbstmord begangen, mein Vater war in eine Todeszelle geschickt worden, und ich war nicht in der rechten Stimmung, eine Menge Andenken zu behalten. Es war ziemlich deprimierend, durch dieses schmutzige kleine Haus zu wandern und zu versuchen, Gegenstände zu retten, die vielleicht eines Tages ein Lächeln auslösen würden. Am liebsten hätte ich alles verbrannt. Beinahe hätte ich es getan.«
»Soll das ein Witz sein?«
»Nein, keineswegs. Nachdem ich ein paar Stunden hier gewesen war, beschloß ich, das verdammte Haus und alles, was darinnen war, einfach niederzubrennen. So etwas passiert schließlich alle Tage. Ich fand eine alte Lampe mit etwas Petroleum darin, und dann saß ich am Küchentisch und redete mit ihr, während ich das Zeug einpackte. Es wäre ganz einfach gewesen.«
»Weshalb hast du es nicht getan?«
»Ich weiß es nicht. Ich wollte, ich hätte den Mumm gehabt, es zu tun, aber ich weiß noch, daß ich mir Sorgen gemacht habe wegen der Bank und der Zwangsvollstreckung, und schließlich ist Brandstiftung ein Verbrechen, nicht wahr? Ich weiß noch, wie ich mir vorgestellt habe, daß man mich zu Sam ins Gefängnis stecken würde. Deshalb habe ich das Streichholz nicht angezündet. Ich hatte Angst, daß man mich vor Gericht stellen und ins Gefängnis stecken würde.«
Im Wagen war es inzwischen sehr heiß geworden, und Adam öffnete seine Tür. »Ich möchte mich ein bißchen umsehen«, sagte er und stieg aus. Sie gingen den Kiesweg entlang, wo sie über halbmeterbreite Rinnen hinwegsteigen mußten. Vor der Veranda blieben sie stehen und betrachteten die verrotteten Planken.
»Ich gehe nicht hinein«, sagte sie entschieden und entzog ihm ihre Hand. Adam musterte die verfallende Veranda und beschloß, sie lieber nicht zu betreten. Er ging an der Vorderfront des Hauses entlang und betrachtete die zerbrochenen Fenster. Dann ging er den ums Haus führenden Pfad entlang. Lee folgte ihm widerstrebend.
Der Hintergarten lag im Schatten alter Eichen und Ahornbäume, und da, wo keine Sonne hinfiel, war die Erde nackt. Der Garten erstreckte sich ungefähr zweihundert Meter weit einen leichten Abhang hinunter und endete in einem Dickicht. In einiger Entfernung war das Grundstück von Wald umgeben.
Sie ergriff abermals seine Hand, und sie gingen zu einem Baum neben einem Schuppen, der sich
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