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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Stelle angekommen war, blieb er stehen und sah Sam an. Er sagte so etwas wie›Mr. Sam, Quince hat gesagt, Sie hätten ihn geschlagen.‹Woraufhin mein Vater etwas erwiderte wie›Quince ist ein diebischer kleiner Nigger, Joe. Du solltest deinen Kindern beibringen, daß sie nicht stehlen dürfen.‹Sie fingen an zu streiten, und es war offensichtlich, daß es eine Schlägerei geben würe. Sam sprang von der Treppe herunter und versetzte Joe den ersten Schlag. Sie fielen zu Boden, genau hier, und kämpften miteinander wie Katzen. Joe war ein paar Jahre jünger und kräftiger, aber Daddy war so niederträchtig und wütend, daß beide sich ungefähr ebenbürtig waren. Sie schlugen sich gegenseitig ins Gesicht und fluchten und traten sich wie zwei Tiere.« Sie unterbrach ihren Bericht und ließ den Blick über den Garten wandern, dann zeigte sie auf die Hintertür. »Irgendwann kam Eddie auf die Veranda, um zuzuschauen. Quince stand ein paar Meter entfernt und schrie seinen Vater an. Sam stürzte auf die Veranda und ergriff den Spazierstock, und die Schlägerei geriet außer Kontrolle. Er schlug Joe ins Gesicht und auf den Kopf, bis der auf die Knie fiel, und er rammte ihm den Stock in den Magen und in die Lenden, bis er sich kaum noch rühren konnte. Joe sah Quince an und rief ihm zu, er sollte nach Hause laufen und die Schrotflinte holen. Quince rannte los. Sam hörte mit dem Schlagen auf und wendete sich an Eddie.›Hol meine Schrotflinte‹, sagte er. Eddie erstarrte, und Daddy brüllte ihn wieder an. Joe war auf der Erde, auf allen vieren, und als er versuchte, aufzustehen, schlug Sam abermals auf ihn ein. Eddie lief ins Haus, und Sam ging zur Veranda hinüber. Sekunden später kam Eddie mit der Schrotflinte zurück, und Daddy forderte ihn auf, hineinzugehen. Die Tür wurde zugemacht.«
    Lee ging zur Veranda und setzte sich auf die Kante. Sie schlug die Hände vors Gesicht und weinte lange. Adam stand ein Stück von ihr entfernt, starrte auf den Boden und hörte dem Schluchzen zu. Als sie ihn endlich anschaute, war ihr Blick verschwommen und ihre Wimperntusche verlaufen, und an ihrer Nase hingen Tropfen. Sie wischte sich mit den Händen über das Gesicht, dann rieb sie sie an ihren Jeans ab. »Es tut mir leid«, flüsterte sie.
    »Bring es bitte zu Ende«, sagte er schnell.
    Sie atmete einen Moment lang tief ein, dann wischte sie sich erneut das Gesicht ab. »Joe stand genau dort drüben«, sagte sie und deutete auf eine Stelle im Gras, nicht weit von Adam entfernt. »Er hatte es geschafft, wieder auf die Beine zu kommen, und nun drehte er sich um und sah Daddy mit der Flinte. Er schaute in die Richtung, in der sein Haus lag, aber von Quince und seiner Waffe war nichts zu sehen. Er drehte sich wieder zu Daddy um, der genau hier stand, am Rand der Veranda. Und dann hob mein lieber, reizender Vater langsam die Flinte, zögerte eine Sekunde, schaute sich um, ob irgend jemand zusah, und drückte auf den Abzug. Einfach so. Joe stürzte zu Boden und rührte sich nicht mehr.«
    »Du hast alles mit angesehen, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Wo warst du?«
    »Da drüben.« Sie rückte, streckte aber nicht den Finger aus. »Auf meinem Hickorybaum. Vor der Welt verborgen.«
    »Sam konnte dich nicht sehen?«
    »Niemand konnte mich sehen. Ich habe alles beobachtet.« Sie schlug wieder die Hände vors Gesicht und kämpfte gegen die Tränen an. Adam ging auf die Veranda zu und setzte sich neben sie.
    Sie räusperte sich und wendete den Blick ab. »Er beobachtete Joe ungefähr eine Minute, bereit, noch einmal zu schießen, falls es erforderlich sein sollte. Aber Joe rührte sich nicht mehr. Er war tot. Um seinen Kopf herum war etwas Blut im Gras, und ich konnte es vom Baum aus sehen. Ich weiß noch, daß ich meine Fingernägel in die Rinde gekrallt habe, um nicht herunterzufallen, und ich weiß auch, daß ich weinen wollte, aber zuviel Angst dazu hatte. Er hätte mich hören können. Ein paar Minuten später tauchte Quince auf. Er hatte den Schuß gehört, und als er in mein Blickfeld kam, weinte er. Rannte wie ein Verrückter und weinte, und als er seinen Vater da liegen sah, fing er an zu schreien, wie jedes Kind es getan hätte. Mein Vater hob abermals die Flinte, und ich weiß noch genau, daß er eine Sekunde lang nahe daran war, auch den Jungen zu erschießen. Aber Quince warf Joes Schrotflinte auf die Erde und rannte zu seinem Vater. Er heulte und jammerte. Er trug ein helles Hemd, und bald war es mit Blut bedeckt. Sam ging hin und

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