Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
Aber was müssen wir tun, damit es funktioniert?«
Walt und ich begannen, noch mehr Steine aufzusammeln. Wir schlugen ein paar Stücke von den größeren Felsbrocken ab und legten sie auf einen Haufen. Wir gaben unser Bestes, eine Miniaturkopie der Trümmersammlung herzustellen, die den Durchgang versperrte.
Meine Hoffnung war natürlich, eine sympathetische Bindung herzustellen, so wie ich es bei Carter und der Wachsstatuette in Alexandria getan hatte. Unsere Kopie und das Original bestanden ja aus demselben Material, was die Herstellung einer Verbindung einfacher machen sollte. Doch etwas sehr Großes mit etwas sehr Kleinem zu bewegen ist immer knifflig. Wenn wir es nicht vorsichtig angingen, konnten wir den ganzen Raum zum Einsturz bringen. Ich hatte keine Ahnung, wie tief wir uns unter der Erde befanden, aber ich ging davon aus, dass genug Fels und Erde über unseren Köpfen waren, um uns für immer zu begraben.
»Fertig?«, fragte ich.
Walt nickte und nahm sein Zaubermesser heraus.
»Oh nein, du Fluch-Junge«, bremste ich ihn. »Du hältst mir nur den Rücken frei. Falls die Decke einzustürzen beginnt und wir einen Schutzschild brauchen, dann ist das deine Aufgabe. Wenn es nicht unbedingt nötig ist, wirst du die Finger von der Zauberei lassen. Ich werde den Durchgang frei räumen.«
»Sadie, ich bin nicht aus Watte«, beschwerte er sich. »Ich brauche keine Beschützerin.«
»Blödsinn«, widersprach ich. »Das ist doch Machogetue, alle Jungs werden gern bemuttert.«
»Was? Mann, kannst du nerven!«
Ich lächelte zuckersüß. »Du wolltest doch Zeit mit mir verbringen.«
Bevor er protestieren konnte, hob ich mein Zaubermesser und begann, den Zauber zu sprechen.
Ich stellte mir eine Verbindung zwischen unserem kleinen Schutthaufen und dem Trümmerberg im Durchgang vor. Ich stellte mir vor, dass sie in der Duat ein und dasselbe wären. Ich sprach den Befehl für Zusammenfügen:
»Hi-nehm.«
Das Symbol flackerte schwach über unserem kleinen Schutthaufen.
Langsam und vorsichtig schob ich ein paar Steine von dem Haufen weg. Die Trümmer im Durchgang rumpelten.
»Es funktioniert!«, rief Walt.
Ich traute mich nicht, hinzusehen, sondern konzentrierte mich auf meine Arbeit – die Steine immer ein wenig weiter zu schieben und den Berg in kleinere Häufchen aufzulösen. Es war beinahe so schwierig, wie richtige Felsbrocken zu bewegen. Ich war völlig benommen. Als Walt mir die Hand auf die Schulter legte, konnte ich nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war. Ich war so erschöpft, dass ich kaum geradeaus sehen konnte.
»Es hat geklappt«, sagte er. »Du warst toll.«
Der Durchgang war frei. Die Trümmer lagen in den Ecken der Kammer zu kleineren Haufen aufgetürmt.
»Gute Arbeit, Sadie.« Walt beugte sich vor und küsste mich. Auch wenn es vielleicht bloß ein Ausdruck von Dankbarkeit oder Glück war, verdrehte mir der Kuss deshalb nicht weniger den Kopf.
»Ähm« , sagte ich – wieder unglaublich wortgewandt.
Walt half mir auf. Wir liefen den Korridor zum nächsten Raum hinunter. In Anbetracht der ganzen Arbeit, die wir auf uns genommen hatten, um dorthin zu kommen, war er nicht gerade überwältigend: lediglich eine fünf Quadratmeter große Kammer, in der auf einem Sandsteinsockel nichts weiter als ein roter Lackkasten stand. Der Kasten hatte auf der Oberseite einen geschnitzten Griff in Form eines dämonischen Windhundes mit großen Ohren – das Seth-Tier.
»Oh, das bedeutet bestimmt nichts Gutes«, meinte Walt.
Ich ging jedoch geradewegs auf den Kasten zu, hob den Deckel und packte die Schriftrolle, die darin lag.
»Sadie!«, schrie Walt.
»Was denn?« Ich drehte mich um. »Es ist Seths Kasten. Hätte er mich umbringen wollen, hätte er das in Sankt Petersburg tun können. Es ist sein Wunsch , dass ich diese Rolle habe. Vielleicht stellt er es sich lustig vor, mir dabei zuzusehen, wie ich beim Versuch, Re zu wecken, draufgehe.« Ich blickte zur Decke und rief: »Ist doch so, oder, Seth?«
Meine Stimme hallte durch die Katakomben. Ich verfügte zwar nicht mehr über die Macht, Seths geheimen Namen zu verwenden, trotzdem hatte ich das Gefühl, dass ich seine Aufmerksamkeit erweckt hatte. Die Luft wurde klarer. Der Boden bebte, als würde darunter etwas sehr Großes lachen.
Walt atmete aus. »Es wäre mir lieber, du würdest nicht solche Risiken eingehen.«
»Und das von dem Jungen, der bereit ist zu sterben, um Zeit mit mir zu verbringen?«
Walt machte eine übertriebene
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