Die Kanzlerin - Roman
gefragt und nicht dich? Ist das Leben so wählerisch? Und onanierst du oft? Und willst du mir drei Fragen über Sex stellen?«
»Schwitzend, feucht, ineinander verschlungen, überall Zungen … Drei Fragen über Sex: Sprichst du gern beim Sex? Bist du ein Schnellficker? Bist du vielseitig und abwechslungsreich in Körperlichkeiten?«
Loderer brauchte dringend einen Kaffee.
»Ich bin ein Schnellschreiber, aber kein Schnellficker. Und darum ganz schnell jetzt: Ich schreibe dir später. Bis bald, Frau Male.«
»Gut zu wissen, das du kein Schnellficker bist, Controller. Ich liebe es, hinauszuzögern und zu reizen, bis der Wahn-Sinn einen treibt und der Verstand ausgeschaltet ist. Ein kühler Wind streift die Haut. Die weiche, glänzende Haut. Gierige Blicke. Gier oder Verlangen? Sein Atem auf der Haut. Sein Geruch, seine Männlichkeit, seine Hände, fordernd, aber, Controller, schreiben wir uns später. Ich mache jetzt eine sinnliche Pause, dann kommt ein Patient.«
»Was für ein Patient? Bist du Ärztin?«
»Therapeutin. Physiotherapeutin. Habe heilende Hände, sagen viele … aber zuerst muss ich ihr Vertrauen gewinnen. Wenn sie mir nicht vertrauen, dann kann ich nichts für sie tun.«
»Was machst du mit deinen Patienten?«
»Wer zu mir kommt, ist in seinen Aktivitäten eingeschränkt, seinen Bewegungen. Ich mache einen Befund. Manches ist sichtbar oder hörbar: Es gibt piepsende Stimmen und kräftige, tastbare Befunde, ein Gangbild, und die Menschen sind feucht, kalt und nass, verkrampft …«
»Und du machst sie heiss …«
»Ich lege sie auf die Holzbank. Taste. Taste ab und taste mich vor. Schaue, wo die Triggerpunkte sind … die Schmerzpunkte. Jeder Muskel hat typische Schmerzpunkte.«
»Mir tut alles weh, Frau Male, jeder Muskel …«
»Nervöse, übernervöse Menschen neigen ganz besonders dazu.«
»Bin auch unsportlich …«
»Ein Schmerzpunkt, den ich oft behandeln muss, ist der Musculus levator scapulae …«
»Bin nicht sehr muskulös …«
»… wenn Frauen einseitig schwere Taschen tragen oder sich andererseits die Aktenköfferchenmännchen zu einseitig belasten. Und Sportler sind nicht besser dran. Speerwerfer leiden darunter. Radfahrer trainieren ihre Gesässmuskeln nicht, die faulen Ärsche. Und auch Fussballer erkenne ich sofort, auf der Strasse, am Gangbild: kein Arsch in der Hose. Weil sie nur ihre Beine trainiert haben, die Wadenmuskulatur …«
»Frau Male, wenn du heilende Hände hast, dann kannst du mir vielleicht helfen.«
»Wenn du dich öffnen kannst, Controller … Es hat geklingelt. Mein Patient.«
»Alt, jung, dick, dünn …«
»Ein Aktenköfferchenmännchen. Nicht unsympathisch … Bisbald, mein untrainierter Controller. Ich denke schon, dass ich dich bewegen könnte …«
M orgenkonferenz, die Unionsspitze. Christdemokraten, Christsoziale. Am Tisch: Adi Fröhlich, Generalsekretär der Kanzlerin, Valentin Hendricks, Agrarminister und CSU-Vizechef mit Chefambitionen, Gaudenz Zwicker, konservativer Fraktionschef, und Hilde Troost, Bildungsministerin.
»Dame, meine Herren, der Bundespräsident hat uns gelobt, zu Recht, wie ich finde, wobei: Er möchte ja auch wiedergewählt werden im nächsten Jahr. Da lobt es sich doch gerne. Bemerkungen Ihrerseits dazu? Keine Wortmeldung, was mir auch angebracht scheint.«
Meistens duzten sie sich, aber manchmal hatte die Kanzlerin das Bedürfnis, eine kleine Distanz zu markieren. Namentlich Herren neigen dann etwas weniger zum Übermut.
Fröhlich strahlte.
»Haben Sie eine heitere Nacht verbracht, Herr Generalsekretär?«
»Sie waren gestern beim Fussballländerspiel, Frau Kanzlerin. Und haben mit Schweini geredet. Toller Typ, nicht?«
»Prima Kerl, und ich kann nur hoffen, dass Jogi ihn bald wieder spielen lässt.«
»Ich finde es einfach grossartig, Frau Kanzlerin, dass Sie es als Frau geschafft haben, sich in Fussballstadien zu behaupten und den glaubwürdigen Eindruck zu erwecken, dass Sie von Fussball mindestens so viel verstehen wie Ihr Vorgänger. Das gefällt den Wählern.«
»Das Spiel wird auf dem Platz entschieden, Adi, was auch für die Politik gilt. Aber leider ist unser Platz mittlerweile fast unbespielbar geworden. Und wenn der Bundespräsident das Formateines guten Schiedsrichters hätte, dann würde er diese Partie jetzt abpfeifen. Wofür einer wie Schweini sicher grosses Verständnis hätte.«
Es gab gewichtige Stimmen in ihrer Partei, die ihr dazu rieten, die grosse Koalition platzen zu
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