Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
Mord an Uwe Stein und im Jahr davor die Staatskanzleimorde aufgeklärt.“ Ein erneutes Ansteigen des Geräuschpegels war die Folge, nicht jeder hatte die Kriminalbeamtin in guter Erinnerung. Bernd Wagner schon. Dass er noch am Leben war, verdankte er nur ihr.
Nach der Sitzung ging Wagner zur Vorsitzenden. Albi war bei solchen Gelegenheiten umringt gewesen. Sie hingegen stand alleine am Pult. Ihr Lächeln ließ Wagner kalt. „Tobias hatte Probleme, er hat sich große Sorgen gemacht“, sagte er. Ein Versuchsballon, der Wirkung zeigte. Ein bestürzter Ausdruck machte sich auf ihrem Gesicht bemerkbar. Nur wenige Sekunden, dann sah es aus wie immer, glatt, emotionslos und maskenhaft. Aus kalten Augen musterte sie ihn. „Woher wissen Sie das?“
„Er war bei mir, einen Tag vor dem Mord. Es ging um eine höchst brisante Angelegenheit. Heute Abend wollte er mir Einzelheiten erzählen. Wir waren verabredet.“
„Brisant? Worum handelt es sich? Oder wollen Sie mir das nicht sagen?“
„Es war vertraulich“, erwiderte Wagner, sie scharf beobachtend. Er erhoffte sich von ihrer Reaktion Rückschlüsse, ob sie selbst mit den Enthüllungen zu tun hatte, die Wächter ihm kurz vor seinem Tod anvertrauen wollte. Sie ließ sich jedoch nicht aus der Reserve locken. Ihr Lächeln, das ihre Augen nicht einmal ansatzweise erreichte, war ein sicherer Bug. Marion Klaßen blieb hartnäckig. „Falls es mit der Partei zu tun hat, sollten Sie es mir unbedingt sagen. Als Vorsitzende muss ich Bescheid wissen.“
Ohne ein weiteres Wort wandte sich Wagner ab. Er genoss es, sie im Ungewissen zu lassen. Im Hinausgehen wäre er fast mit Stutz zusammengestoßen. Jetzt war es ganz deutlich zu erkennen, auf den Lippen des Abgeordneten lag ein Lächeln.
9
H ANNOVER , K IRCHRODE
Schon wieder Pizza. Eigentlich wollte Jürgen kochen. Sie sprach ihn aber besser nicht darauf an. Neben Salamipizza hatte er schlechte Laune mit nach Hause gebracht. Sie nahmen das Abendessen, dazu einen trockenen Rotwein aus dem Burgund, im kahlen Wohnzimmer ein. Jürgen war noch nicht dazugekommen, die Bilder aufzuhängen. Auch das Geschirr war noch immer in Kisten verpackt. So aßen sie die Pizza mit der Hand. Zumindest Weingläser standen zur Verfügung. Darauf hatte Jürgen geachtet. Seinem Frust über Innenminister Lühmann ließ er nun freien Lauf. Mit zunehmendem Weinkonsum wurde Jürgen gehässiger. Aus „Nullnummer“ wurde „Dödel“, später „Arschgeige“.
„Wenn er der Aufgabe nicht gewachsen ist, wird es auffallen und ihm irgendwann das Genick brechen.“
Verenas Versuch, ihren Liebsten zu besänftigen, scheiterte. „Und wann ist irgendwann, bitte schön? Das kann sich noch Jahre hinziehen. Inkompetenz war in diesem Land noch nie ein Grund für einen Politikerrücktritt. Und was soll ich in der Zwischenzeit machen? Bleistifte anspitzen und Zeitung lesen?“
Um ihn abzulenken, brachte Verena den Mordfall zur Sprache. Mit Erfolg! Jürgen fragte nach Einzelheiten und plauderte seinerseits aus dem Nähkästchen. Die Gerüchteküche hatte da einiges auf Lager. Zum Beispiel, dass Tobias Wächter ungeniert auf großem Fuß gelebt habe. Auch sei der Abgeordnete regelmäßig Gast in Baumgarts Partykeller gewesen und mehrfach auf dessen legendären Luxusfeten sowie in dessen Ferienhaus auf der Insel Sylt gesichtet worden. „Ihr solltet Baumgart auf den Zahn fühlen. Nicht, dass ich glaube, dass er der Mörder ist. Aber wer weiß, vielleicht findet sich der Täter in seinem Umfeld. Unter seinen Geschäftspartnern gibt es so manche obskuren Gestalten. Womöglich wusste Wächter zu viel und wurde deshalb umgebracht.“
Verena lag eine scharfe Entgegnung auf der Zunge. Jetzt führte er kluge Reden, als LKA-Chef hatte er anders gehandelt. Als sie Baumgart bei der Aufklärung der Staatskanzleimorde vernehmen wollte, hatte er dazwischengefunkt. Der Korruptionsverdacht war nie aufgeklärt worden. Als sie allerdings in sein blasses Gesicht sah, schluckte sie ihren Ärger hinunter. Sie hatten beide viel Stress gehabt in letzter Zeit. Und jetzt kamen für ihn noch die Probleme mit dem neuen Minister hinzu.
„Direktor Hirschmann erwähnte Baumgarts Kontakte zur Frau des Ministerpräsidenten. Er will erst mit dem Innenminister sprechen, bevor wir ihn befragen.“
Jürgen reagierte mit höhnischem Lachen. „So, so, zur Gattin des Ministerpräsidenten. Der Kerl hat es drauf. Es hat sich schnell herumgesprochen, dass der amtierende Ministerpräsident nur das
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