Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
an und bitten ihn, mich zurückzurufen. Es eilt.“
„Worum geht es denn?“
Schon wieder dieser hochnäsige Tonfall, ärgerte sich Wagner.
„Das möchte ich ihm schon selber sagen.“
Der Zerberus am anderen Ende der Leitung gab sich genervt, versprach aber, die Nachricht zu übermitteln, und notierte sich Wagners Handynummer.
Der nächste Zerberus wartete bereits auf ihn. Die schöne Frau Stigler. Wagner hoffte von ihr zu erfahren, was ihren Chef Tobias Wächter beunruhigt hatte und der Grund für sein geheimnisvolles Gehabe gewesen war. Ihr spektakuläres Aussehen stand im krassen Widerspruch zu ihrem launischen Wesen. Bei ihm gab sie sich besonders patzig. Das war schon in der Staatskanzlei so gewesen. Später in der Partei hatte sie eine regelrechte Antipathie gegen ihn entwickelt.
Er ignorierte den üblichen missmutigen Ausdruck auf dem perfekt geschminkten Gesicht, das die Titelseite jedes Frauenmagazins hätte schmücken können. Bei seinem Anblick bewegten sich ihre Mundwinkel noch ein Stück weiter nach unten. Heute gab es sogar einen nachvollziehbaren Grund für ihre schlechte Laune. Ihr Job in der Landtagsfraktion war in Gefahr. Kaum einer der Abgeordneten würde bereit sein, sie zu übernehmen. Ihr Gehalt war deutlich höher als das ihrer Kolleginnen. Wer sich eine solche Topfrau im Vorzimmer leisten konnte, musste dafür Geld hinlegen. In Politikerkreisen galt Frau Stigler, die bereits Albi gedient hatte, als Statussymbol. Wächter hatte sich gerne mit ihr gebrüstet.
Es roch nach frisch aufgebrühtem Kaffee. Obwohl nicht dazu aufgefordert, nahm Wagner ihr gegenüber am Schreibtisch Platz. Sie nippte an ihrer Kaffeetasse. Ihm bot sie keinen an.
„Ich gehe davon aus, dass Ihr Chef den Kaffee bezahlt hat, Sie können mir also ruhig einen anbieten“, sagte er.
Ihren missbilligenden Blick ignorierend stand Wagner auf, ging zum Schrank und holte eine zweite Kaffeetasse heraus. Mit einer unwilligen Geste schob sie die Thermoskanne zu ihm hinüber. Nachdem er einen Schluck von dem reichlich schwachen Gesöff getrunken hatte, kam er auf den Grund seines Besuches zu sprechen.
„Es stimmt“, bestätigte sie. „Herr Wächter war in den letzten Tagen ungewöhnlich nervös. So habe ich ihn noch nie erlebt. Zwei Tage bevor er ermordet wurde, musste ich alle Termine absagen, weil er plötzlich dringend nach Bad Pyrmont musste. Dass er auch einen Termin mit der Quoten-Peters vereinbart hatte, war mir nicht bekannt. Folglich habe ich den Termin nicht gecancelt. Sie kam in mein Büro geschossen wie eine Dampfwalze und gab mir die Schuld. Was kann ich dafür, wenn er mir seine Termine nicht nennt, habe ich ihr gesagt. Sie ist beleidigt davonstolziert. Schreckliche Person!“
Auch Wagners zweite Frage wurde gnädig beantwortet. „Worum es ging? Gesagt hat er es mir nicht, vermutlich um die neue Privatklinik in irgendeinem Kaff in der Nähe von Bad Pyrmont, nach meiner Erinnerung liegt sie in Lügde. Deswegen hat er häufig mit Herrn Baumgart telefoniert. Einzelheiten habe ich nicht mitbekommen. Nur, dass dort früher ein Kurhotel war.“
Dann erwähnte sie einen anonymen Anrufer. Wächter habe ungewöhnlich wütend darauf reagiert. „Dabei sind anonyme Anrufe wütender Bürger für Politiker doch Alltagsgeschäft“, wunderte sich Frau Stigler.
Mehr wusste sie nicht. Wagner glaubte ihr sogar. Die Frau war ein Stinkstiefel, aber keine Lügnerin. Er selbst hatte noch nie etwas von der Klinik gehört. Durchaus möglich, dass es sich um eine von Baumgarts Investitionen handelte und Wächter als Aufsichtsrat betroffen war. „Hatte der Abgeordnete Stutz auch damit zu tun?“, fasste er nach.
Seine Frage löste Erstaunen bei ihr aus. „Stutz? Mein Chef und der waren sich spinnefeind. Zwischen den beiden gab es überhaupt keine Berührungspunkte.“ Sie nippte erneut an ihrem Kaffee. „Herr Wächter wollte ihn aus der Fraktion werfen. Er hat erst letzte Woche versucht, den Abgeordneten Römermann als Verbündeten dafür zu gewinnen. Der wollte davon aber nichts wissen. Stutz sei auf das Geld angewiesen, hat er gemeint. Mein Chef war anderer Meinung. Dass wir in der Opposition sind, verdanken wir Stutz, hat er immer gesagt. Da ist ja auch was Wahres dran, er war der Aufgabe einfach nicht gewachsen. Mit der Klinik hatte Herr Stutz aber ganz bestimmt nichts zu schaffen.“
Das erklärt das merkwürdige Lächeln, dachte Wagner. Stutz konnte aufatmen. Es gab niemanden mehr, der seinen Rausschmiss aus der
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