Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
Vom Netzwerk:
Fraktion vorantreiben würde.
    Der Kaffee war schwach und Kekse waren Mangelware. Es gab also keinen Grund, die miese Laune der Stigler länger zu ertragen. Als Wagner gehen wollte, hielt Frau Stigler ihn zurück. „Jetzt, da Herr Wächter tot ist, brauche ich einen neuen Job. Der Nachrücker bringt seine eigene Assistentin mit. Können Sie nicht eine kompetente Mitarbeiterin gebrauchen?“
    Die hatte Nerven. „Ich bin mit dem Fraktionspersonal gut bedient. Am besten, Sie sprechen mit der Vorsitzenden. Vielleicht weiß sie Rat.“
    Die Mundwinkel bewegten sich nach oben, wenn auch nur ganz leicht. „Meinen Sie? Haben Sie auch von dem Gerücht gehört, dass Marion Klaßen nach Höherem strebt und Kanzlerkandidatin werden will?“ Unschlüssig schaute ihn Frau Stigler an.
    Wagner war in Gedanken bei seinem getöteten Kollegen und möglichen Mordmotiven. Wenn Baumgart sich weiter in Schweigen hüllte, würde er der Klinik einen Besuch abstatten. „Frau Klaßen kann bestimmt etwas für Sie tun“, bestätigte er im Hinausgehen. „Danke für den Kaffee und viel Glück.“
    Frau Stigler beachtete ihn nicht weiter. Ihre ganze Konzentration galt ihren Lippen, die sie hingebungsvoll schminkte.

11
    Stiefmütterchen, Tulpen und Osterglocken ließen mutlos ihre Köpfe hängen. Der Frühling hatte nur ein kurzes Stelldichein gegeben. Über Nacht hatte das Tief Angelika Regen und Kälte gebracht. Entsprechend verdrießlich schauten die Menschen aus, die Verena auf ihrem Weg in den Niedersächsischen Landtag entgegenkamen. Nach einem nasskalten Herbst und einem regenreichen Winter hatten die Bewohner Norddeutschlands auf einen sonnigen Frühling gehofft. Wieder einmal schien der Wettergott ihnen nicht geneigt zu sein.
    Die Polizeibeamtin stieg die breite Treppe zum Säulengang des Leineschlosses hinauf. Das durch Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg bis auf die Außenmauern ausgebrannte Welfenschloss war in den Sechzigerjahren wiederaufgebaut worden und diente seither als Sitz des Niedersächsischen Landtages. Zuletzt hatten Abrisspläne des denkmalgeschützten Vorbaus aus der Nachkriegsära für Unmut in der Bevölkerung gesorgt.
    Verena war auf das Wiedersehen mit Marion Klaßen gespannt. Die Politikerin war die einzige wirkliche Vertraute des im vergangenen Jahr ermordeten Spitzenkandidaten Uwe Stein gewesen. Die toughe, intelligente Frau war voller Geheimnisse, attraktiv und von einnehmendem Wesen, Medienberichten zufolge aber auch mit extremem Ehrgeiz und Machthunger ausgestattet. Ihr rasanter Aufstieg warf Fragen auf. Von reichen Männern im Hintergrund war die Rede. Auch kursierten Gerüchte, dass sie sich nach oben geschlafen habe. Darauf gab Verena allerdings nicht viel. Der Aufstieg attraktiver Frauen bot häufig Anlass zu Spekulationen dieser Art, schlüpfrige Bettgeschichten eingeschlossen.
    Im Vorzimmer erwartete sie eine Überraschung. Keine Sekretärin, sondern ein junger, ausnehmend schöner Mann mit römischem Gesichtsprofil, gebräunter Gesichtshaut und vollem, schwarzem Haar Anfang zwanzig erkundigte sich nach ihren Getränkewünschen. Sie bat um ein Glas Wasser. Die Tür zum Büro der Vorsitzenden stand offen. Hinter dem ausladenden Schreibtisch wirkte die zierliche Politikerin verloren. Ihr neuer Look ließ sie älter aussehen als Mitte dreißig. Verena vermutete Kalkül dahinter. Für eine Spitzenpolitikerin war sie ungewöhnlich jung.
    Als sich Marion Klaßen erhob, registrierte Verena nicht ohne Neid, wie schlank sie war. Ihre Kleidung, ein eng geschnittener, kurzer Rock, dazu eine pinkfarbene Bluse und Pumps in der gleichen Farbe betonten ihre vorteilhafte Figur. Die Kriminalbeamtin wurde mit einer einladenden Geste aufgefordert, am Besuchertisch Platz zu nehmen. Der Schönling erschien auf leisen Sohlen und stellte das Glas Wasser vor ihr ab. Nachdem er gegangen war, kam Marion Klaßen ohne Umschweife zur Sache. „Sie kommen wegen des Mordes?“
    Eine rhetorische Frage, die Verena mit einer Gegenfrage beantwortete. „Sie kannten Herrn Wächter gut?“
    Die Abgeordnete nickte. „Wer nicht? Er saß fast zwanzig Jahre im Landtag und gehörte seit Jahren zum inneren Führungszirkel der Partei. Fast könnte man sagen, er gehörte zum Inventar. Sein Tod ist ein herber Schlag für uns.“
    „Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre, aber hat Herr Wächter nicht gegen Sie um den Fraktionsvorsitz kandidiert?“
    Die Politikerin zog die Augenbrauen hoch. „Mit Verlaub, was hat das mit dem Mord zu

Weitere Kostenlose Bücher