Die Karriere-Bibel
Vor allem aber waren sie hungrig.
Zum großen Entsetzen der Vorstände lud sie der CEO an den Tisch und die Fremden fielen über die ersten beiden Gänge her, als
gäb’s kein Morgen. Danach verschwanden sie aber nicht, sondern beschimpften die Manager: Wie könnt ihr euch jeden Tag mit
Hummer, Foie gras und Champagner vollstopfen, während wir Hunger leiden? Die Vorstände bemühten sich um Contenance. Sie seien
nun mal Führungskräfte eines großen Konzerns und trügen viel Verantwortung, versuchten sie sich zu verteidigen. Die Obdachlosen
überzeugte das nicht. Die Manager gerieten zunehmend in die Defensive. Schließlich brach der Gastgeber die Farce ab. Er erklärte
seinen verblüfften Kollegen, dass die Vagabunden in Wahrheit Schauspieler seien, engagiert, um alle auf den einzigen Punkt
der heutigen Agenda vorzubereiten: die soziale Verantwortung des Unternehmens.
Der Vorfall soll sich tatsächlich zugetragen haben. Wahr oder nicht ist aber unerheblich. Denn die Anekdote lehrt zwei Dinge:
Menschen sind durch praktische Erfahrungen viel leichter zu überzeugen als durch theoretische Argumente. Und: Erkenntnisse
werden für ein Publikum viel anschaulicher, wenn man dazu eine Geschichte erzählt.
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|439| 27. Dezember
Zwischenzeit – Wie man die Zeit zwischen den Jahren nutzt
Ab heute hängen Sie zwischen den Jahren. Das ist im Grunde keine richtige Zeit, sondern ein Zustand.
Nach
der Weihnachtsgans und dem Beisammensein im Kerzenschein ist zugleich auch
vor
dem Silvesterbufett und der Rückkehr ins Büro. Zwischen den Jahren ist eine Art Feiertagsrallye, mit ausgedehnten Ruhetagen
dazwischen. Historisch betrachtet gibt es diese Phase zwischen dem 27. Dezember und Neujahr nicht allzu lange: gerade mal
seit etwas mehr als 300 Jahren. Im Meer der Geschichte ist das nichts weiter als ein Möwenschiss.
Zwischen den Jahren
heißt die Zeit, weil früher das Jahr je nach Zeitalter und Region zu unterschiedlichen Zeitpunkten begann. Erst im späten
17. Jahrhundert kristallisierte sich der 1. Januar als offizieller Jahresbeginn heraus. Schließlich war es Papst Innozenz
XII., der das Datum 1691 offiziell anerkannte.
Zwischenzeiten sind keine produktiven Spannen. Man lebt in der Zerrissenheit der Gegenwart, zwischen
Das war’s
und
Das wird
. Und das ist Mist. Ich kenne einige Menschen, die sich nach einem Jahr mit vielen Aufs und Abs die Zeit zwischen den Jahren
gezielt freinehmen, weil sie zur Ruhe kommen wollen. Sie schalten ab, machen Pause und nutzen die Zeit, um über sich, ihr
Leben und die Zukunft nachzudenken. Eine Art Fünf-Tage-Boxenstopp-Meditation an Restchriststollen. Das ist völlig in Ordnung
und kann für mehr Wohlbefinden sorgen – vorausgesetzt, man passt mit dem Restchriststollen auf.
Es gibt aber auch die anderen. Die nutzen die Zwischenjahreszeit im Büro: Auch sie räumen auf – gedanklich wie physisch. Sie
arbeiten Liegengebliebenes auf, sortieren und entrümpeln Schreibtisch wie Gedanken und schmieden neue Pläne. Dieser Abschnitt
kann sehr produktiv sein: Kaum jemand ist im Büro, der stören könnte; kaum jemand mailt einen an, und das Telefon schweigt.
Zwischen den Jahren wird für sie zu einer der produktivsten Phasen im ganzen Jahr. Ich will damit sagen: Ob nun beim Meditieren
oder Großreinemachen – nutzen Sie diese Zeit! Rumgammeln können Sie im neuen Jahr noch genug.
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|440| 28. Dezember
Rabenweisheit – Wer sich nicht engagiert, lebt gefährlich
Ein Rabe sitzt träge auf einem Baum und tut den ganzen Tag lang nichts. Da kommt ein kleiner Hase vorbei und sieht den Raben.
»Sag mal«, staunt er den Raben an, »kann ich mich nicht auch so hinsetzen und den ganzen Tag lang nichts tun?«
»Aber natürlich. Warum nicht?!«, antwortet der Rabe. Also setzt sich der kleine Hase auf den Boden unter dem Ast, auf dem
der Rabe hockt, und ruht sich aus. Es dauert nicht lange, da schleicht sich von hinten ein Fuchs heran, fängt den kleinen
Hasen und frisst ihn auf. Und die Moral von der Geschichte:
Um herumzusitzen und nichts zu tun, muss man – wenn überhaupt – schon sehr weit oben sitzen!
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29. Dezember
Hier und Jetzt – Was man von den Hawaiianern lernen kann
Als der amerikanische Sprachforscher Max Freedom Long (1890– 1971) in den Zwanzigerjahren auf Hawaii arbeitete, erforschte
er die Naturreligion der Ureinwohner. Dabei faszinierten ihn die
Kahunas
, die polynesischen Schamanen. Diese wollten ihr
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