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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Nach diesen drei Jahren göttlichen Glücks hatte Fabrizzio eine zärtliche Laune, die alles veränderte. Clelia hatte einen entzückenden kleinen Jungen im Alter von zwei Jahren, Sandrino, der die Freude der Mutter war. Er war immer um sie herum oder auf den Knieen des Marchese Crescenzi. Fabrizzio sah ihn dagegen beinahe niemals. Willens, daß sich das Kind nicht daran gewöhnen sollte, einen anderen als Vater zu lieben, hatte er die Absicht, es zu entführen, ehe sein Gedächtnis deutlich ward.Tag für Tag in den langen Stunden, in denen die Marchesa ihren Freund nicht sehen konnte, tröstete sie Sandrinos Gegenwart. Wir müssen nämlich etwas gestehen, was nördlich der Alpen unglaubhaft erscheinen wird: daß sie trotz ihren Verirrungen ihrem Gelübde treu geblieben war. Sie hatte der Madonna gelobt (wie man sich erinnert), Fabrizzio nie wieder zu sehen. So hatte das Gelübde wörtlich gelautet. Infolgedessen kam sie nachts mit ihm zusammen, und nie brannten Lampen im Gemach.
    Alle Abende wurde Fabrizzio von seiner Freundin empfangen, und was bewundernswert ist, seine Vorsichtsmaßregeln waren so geschickt getroffen, daß an jenem Hofe voll maßloser Neugier und Langerweile kein Mensch diese amicizia, wie man in der Lombardei sagt, ahnte. Ihre Liebe war allzu heftig, als daß sie ohne Zwist hätte bleiben können, Clelia hatte viel Anlage zur Eifersucht, aber immer hatten die Uneinigkeiten eine andere Ursache. Fabrizzio hatte irgendeine öffentliche Zeremonie mißbraucht, um mit Clelia zusammenzutreffen und sie zu sehen. Unter irgendeinem Vorwand ging sie schnell hinweg und verbannte ihren Freund auf lange Zeit.
    Am Parmaer Hofe wunderte man sich, daß eine durch ihre Schönheit wie durch ihre geistige Überlegenheit gleich hervorragende Frau so senza altro amore blieb. Sie erregte Leidenschaften, die zu rechten Torheiten verleiteten, und oft war auch Fabrizzio eifersüchtig.
    Der gute Erzbischof Landriani war längst dahingegangen. Die Frömmigkeit, der musterhafte Lebenswandel und die Beredsamkeit Fabrizzios hatten ihn in Vergessenheit gebracht. Fabrizzios älterer Bruder war gestorben, und alle Familiengüter waren ihm zugefallen. Seitdem verteilte er jedes Jahr unter die Vikare und Priester seiner Diözese die hundertundsoundsovieltausend Franken, die das Erzbistum Parma einbrachte.
    Schwerlich kann man sich ein an Ehren reicheres, ehrbareres und nützlicheres Dasein als das von Fabrizzio geführte ausdenken, als er durch jene unglückliche Anandlungvon Zärtlichkeit alles verdarb. Eines Tages sagte er zu Clelia:
    »Jenem Gelübde zufolge, das ich achte und das doch das Unglück meines Lebens ist, da ich dich ja nicht bei Tage sehen kann, bin ich gezwungen, beständig einsam dahinzuleben. Ich habe keine andere Zerstreuung als die Arbeit, und selbst die fehlt mir. Bei dieser harten und traurigen Lebensweise, in der ich die langen Stunden und Tage verbringe, ist ein Gedanke in mir aufgetaucht, der meine Qual ist und gegen den ich seit sechs Monaten vergeblich ankämpfe: Mein Sohn wird mich nie lieben; er hört ja nie meinen Namen nennen. In dem verführerischen Luxus des Palazzos Crescenzi aufgewachsen, kennt er mich kaum. Bei den wenigen Malen, da ich ihn sehe, träume ich von seiner Mutter; er erinnert mich an die himmlische Schönheit, die ich nie erblicken darf. So habe ich für ihn stets ein ernstes Gesicht, und ernst bedeutet bei Kindern dasselbe wie traurig.«
    »Sag an,« sagte die Marchesa, »worauf zielen diese Worte, die mich erschrecken?«
    »Ich möchte meinen Sohn haben! Ich will, daß er bei mir wohnt; ich will, daß er sich daran gewöhnt, mich zu lieben. Ich selber will ihn nach Herzenslust lieben. Da es ein Schicksal ohnegleichen verlangt, daß ich des Glückes beraubt bin, das so viele zärtliche Seelen genießen, und da ich mein Leben nicht mit dir verbringen darf, die ich anbete, so will ich wenigstens ein Wesen um mich haben, das mein Herz an dich erinnert und dich in gewisser Hinsicht ersetzt. Mein Beruf und die Menschen sind mir in meiner aufgezwungenen Einsamkeit zur Last. Du weißt, daß Ehrgeiz immer ein hohles Wort für mich war seit dem Augenblick, da ich das Glück hatte, von Barbone in die Gefangenenliste eingetragen zu werden; und alles, was nicht Seelenerlebnis ist, scheint mir lächerlich in der Schwermut, die mich fern von dir bedrückt.«
    Man kann den Schmerz begreifen, den der Kummer ihres Freundes in Clelias Seele träufelte. Ihre Betrübnis warum so tiefer, als sie das

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