Die Kartause von Parma
sein!‹ So ausgerüstet, setzte er sich in Galopp und holte den Korporal, der weitermarschiert war, bald ein. Er stellte sich in die Steigbügel, erfaßte die Scheide seines Pallaschs mit der linken Hand und sagte zu den vier Soldaten: »Die da auf der Heerstraße laufen, sehen aus wie eine Hammelherde. Sie reißen aus wie aufgescheuchte Hammel!«
Auf das Wort Hammel legte Fabrizzio einen besonderen Ton. Seine Kameraden erinnerten sich nicht mehr, daß sie sich über diesen Ausdruck vor einer Stunde geärgert hatten. Darin verrät sich einer der Gegensätze zwischen dem italienischen und dem französischen Wesen. Der Franzose ist zweifellos glücklicher; er gleitet über die Ereignisse des Lebens hinweg und trägt nicht nach.
Wir wollen nicht verhehlen, daß Fabrizzio eine Genugtuung darin fand, das Wort Hammel ausgesprochen zu haben.
Der Marsch ging ohne große Unterhaltung weiter. Zwei Stunden später sagte der Korporal, höchst erstaunt, daß sich immer noch keine feindliche Kavallerie zeigte, zu Fabrizzio: »Sie sind unsere Kavallerie. Galoppieren Sie nach dem Gehöft da auf der kleinen Anhöhe und fragen Sie den Bauern, ob er uns etwas zum Frühstück verkaufen will. Sagen Sie ihm, wir seien unser fünf. Wenn er nicht gleich will, geben Sie ihm fünf Franken im voraus. Haben Sie keine Angst, den Silberling nehmen wir ihm nach dem Frühstück wieder ab!«
Fabrizzio bückte den Korporal an; der hatte eine unerschütterliche Würde und wirklich den Ausdruck geistiger Überlegenheit. Er gehorchte. Alles ging, wie es sein Vorgesetzter vorausgesehen hatte; nur bestand Fabrizzio darauf, daß man dem Bauern die fünf Franken, die er ihm bezahlt hatte, nicht mit Gewalt wieder abnahm.
»Das Geld gehört mir«, sagte er zu den Kameraden.
»Ich habe es nicht für euch bezahlt; ich zahle es für den Hafer, den er meinem Pferde gegeben hat.«
Fabrizzio sprach das Französische so schlecht aus, daß seine Kameraden glaubten, in seiner Rede läge etwas wie Überhebung. Sie fühlten sich arg verletzt, und in ihren Gemütern reifte der Gedanke, ihn am Abend zu stellen. Sie fanden ihn ganz anders als sich selber, und das ärgerte sie. Fabrizzio dagegen fing an, sich als ihr guter Freund zu fühlen.
So marschierte man zwei Stunden lang stumm weiter, als der Korporal mit einem Blick auf die Heerstraße begeistert ausrief: »Das Regiment!« Alsbald waren sie auf der Straße, aber um den Adler waren keine zweihundert Mann geschart. Fabrizzios Auge hatte bald die Marketenderin erspäht. Sie lief zu Fuß, hatte rote Augen, und zuweilen rannen ihr die Tränen herab. Vergeblich suchte Fabrizzio das Wäglein sowie Kokotte.
»Ausgeplündert, beraubt, vernichtet!« rief die Marketenderin als Antwort auf die Blicke unseres Helden. Ohne ein Wort zu verlieren, saß er vom Pferd ab, nahm es am Zügel und sagte zur Marketenderin: »Sitzen Sie auf!«
Sie ließ sich das nicht zweimal sagen.
»Mach mir die Steigbügel kürzer!« sagte sie.
Sobald sie im Sattel saß, begann sie, Fabrizzio ihr Mißgeschick während der Nacht zu berichten. Ihre Erzählung war endlos, aber unser Held horchte begierig darauf. Wenn er auch, offen gestanden, so gut wie nichts davon verstand, so hegte er doch eine zärtliche Freundschaft für die Marketenderin. Sie schloß mit den Worten: »Und es waren Franzosen, die mich ausgeplündert, geschlagen und zugrunde gerichtet haben.«
»Was, es waren keine Feinde?« fragte er treuherzig, was seinem schönen, ernsten und blassen Gesicht reizend stand.
»Bist du dumm, mein lieber Junge!« sagte die Marketenderin und lachte unter Tränen. »Aber du bist trotzdem ein gutes Kerlchen!«
»Und dieses Kerlchen hat seinen Preußen fein weggeputzt!« meinte der Korporal Aubry, der im Wirrwarrzufällig neben dem Pferde, das die Marketenderin ritt, wieder auftauchte.
»Aber er ist hochmütig!« setzte der Korporal hinzu. Fabrizzio machte eine heftige Gebärde.
»Wie heißt du eigentlich?« fragte der Korporal darauf. »Wenn ich Meldung erstatten muß, möchte ich dich doch nennen.«
»Ich heiße Vasi«, antwortete Fabrizzio und zog ein dummes Gesicht. »Das heißt Boulot«, verbesserte er sich rasch.
Boulot hieß der Inhaber des Soldbuches, das ihm die Kerkermeistersfrau eingehändigt hatte. Er hatte es am Tag vorher während des Marsches genau studiert, denn er fing an, besonnener zu werden, und war den Dingen schon besser gewachsen. Außer dem Soldbuche des Husaren Boulot bewahrte er sorglich auch den italienischen
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