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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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es mit Tränen in den Augen zu.
    »Gut! In meiner Attila steckt Geld!« rief er und richtete sich in seinem Bett auf. »Kaufen Sie mir Zivilkleider! Ich will heute nacht auf meinem Pferde davonreiten. Sie haben mir bereits einmal das Leben gerettet, als Sie mich in einem Augenblick aufnahmen, da ich nahe daran war, auf der Straße umzufallen. Retten Sie es mir ein zweites Mal, indem Sie mir behilflich sind, zu meiner Mutter zurückzukehren.«
    Da wollten die Töchter der Wirtin in Tränen zerfließen; sie zitterten für Fabrizzio, und da sie einige Brocken Französisch konnten, setzten sie sich an sein Bett und richteten allerlei Fragen an ihn. Mit ihrer Mutter besprachen sie sich auf flämisch, wobei sie sich fortwährend mit zärtlichen Blicken nach unserem Helden umwandten. Er glaubte zu verstehen, daß ihnen seine Flucht große Unannehmlichkeiten bereiten könne, sie es jedoch gern darauf ankommen lassen wollten. Er dankte ihnen in überschwenglichen Worten und faltete dabei die Hände. Ein Jude im Ort besorgte einen vollständigen Anzug. Aber als er ihn gegen zehn Uhr abends brachte und die jungen Mädchen den Zivilrock mit seiner Uniform verglichen, stellte es sich heraus, daß er viel zu weit war. Sogleich gingen sie an die Arbeit des Engernähens. Es gab keine Zeit zu verlieren. Fabrizzio bezeichnete die Stellen seiner Attila, wo Napoleons verborgen staken, und bat seine Wirtsleute, sie in die neuen Kleidungsstücke einzunähen. Zugleich mit dem Anzug war ein schönes Paar neuer Stiefel gebracht worden. Fabrizzio trug kein Bedenken, die Mädchen zu bitten, die Schäfte der Husarenstiefel an der Stelle aufzuschneiden, die er ihnen angab, und seine kleinen Brillanten im Futter der neuen Stiefel zu verbergen.
    Durch eine seltsame Wirkung des Blutverlustes und des daraus folgenden Schwächezustandes hatte Fabrizzio sein ganzes Französisch vergessen. Er redete mit seinen Wirtsleuten italienisch, und diese antworteten in ihrer flämischenMundart. So vermochten sie sich fast nur durch Zeichen zu verständigen. Als die jungen Mädchen, die übrigens nicht im geringsten an Eigennutz dachten, die Edelsteine erblickten, kannte ihre Schwärmerei für Fabrizzio keine Grenzen mehr. Sie hielten ihn für einen verkappten Prinzen. Ännchen, die Jüngere, umarmte ihn schlankweg.
    Fabrizzio seinerseits fand die Mädchen reizend, und um Mitternacht, als er nach der Vorschrift des Arztes einen Schluck Wein als Stärkung für die bevorstehende Reise nahm, hatte er geradezu Lust, nicht abzureisen. ›Wo wäre ich besser aufgehoben als hier?› fragte er sich. Gleichwohl kleidete er sich gegen zwei Uhr morgens an. Im Augenblick, da er aus seiner Stube trat, sagte ihm die Wirtin, daß sein Pferd von dem Offizier, der vor ein paar Stunden das Haus durchsucht hatte, mit weggeführt worden sei.
    »O der Hundsfott!« fluchte Fabrizzio. »Einem Verwundeten sein Pferd zu stehlen!« Der junge Italiener war nicht Philosoph genug, daran zu denken, zu welchem Preis er selber dieses Pferd erstanden hatte.
    Ännchen berichtete ihm weinend, man habe ihm ein anderes Pferd gemietet. Am liebsten hätte sie es gehabt, daß er dabliebe. Der Abschied war zärtlich. Zwei kräftige Burschen, Verwandte der guten Wirtin, halfen Fabrizzio in den Sattel. Unterwegs stützten sie ihn auf seinem Pferd, während ein dritter der kleinen Karawane einige hundert Schritt vorausritt und ausspähte, ob sich keine verdächtige Streife nahe.
    Nach einem zweistündigen Ritt machte man bei einer Base der Wirtin ›zur Prelle‹ Halt. Was auch Fabrizzio einwenden mochte, die jungen Männer, die ihn begleiteten, wollten ihn um keinen Preis verlassen; sie behaupteten, kein Mensch kenne die Waldwege so gut wie sie.
    »Aber wenn man in der Frühe meine Flucht entdeckt und euch vermißt, so wird euch euere Abwesenheit Ungelegenheiten bereiten«, meinte Fabrizzio.
    Man setzte den Marsch fort. Zum Glück war die Ebene, als der Tag graute, mit dichtem Nebel bedeckt. Gegen acht Uhr morgens erreichte man eine kleine Stadt. Einer der jungen Männer ritt voraus, um zu erkunden, ob die Postpferde geraubt seien. Der Posthalter hatte Zeit gehabt, sie verschwinden zu lassen und elende Schinder aufzutreiben, die nun seine Ställe zierten. Man holte zwei Pferde zurück aus dem Sumpf, wo sie versteckt waren, und drei Stunden später stieg Fabrizzio in einen zwar morschen, aber mit zwei guten Postpferden bespannten leichten Wagen. Er fühlte sich wieder bei Kräften. Die Trennung von den

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