Die Kartause von Parma
Spionieren fortzusetzen.«
»Wir müssen unseren Husaren in deinen Gemächern verbergen«, rief die Marchesa. »Er kann nicht sogleich wieder abreisen. Für den ersten Augenblick sind wir nicht genügend Herr unseres Denkens, und doch handelt es sich darum, die schreckliche Mailänder Polizei auf die beste Art zu beschwichtigen.«
Man befolgte ihren Vorschlag, aber es fiel dem Marchese und seinem ältesten Sohne tags darauf doch auf, daß dieMarchesa ununterbrochen im Zimmer ihrer Schwägerin weilte.
Wir wollen uns nicht dabei aufhalten, den zärtlichen Freudenrausch zu schildern, der an diesem Tage jene glücklichen Wesen beseelte. Die italienischen Herzen werden viel mehr als unsere von Argwohn und törichten Gedanken gequält, die ihnen eine feurige Einbildungsgabe heraufbeschwört, dafür aber sind ihre Freuden inniger und währen länger. Jenen ganzen Tag über waren die Gräfin und die Marchesa vollkommen bar aller Vernunft. Sie nötigten Fabrizzio, seinen ganzen Bericht noch einmal zum besten zu geben. Schließlich kam man überein, die allgemeine Freude in Mailand weiter zu genießen, da es allzu schwierig dünkte, sie vor den Späheraugen des Marchese und seines Sohnes Ascanio länger zu verbergen.
Man nahm die gewöhnliche Barke des Hauses und fuhr nach Como. Anders zu handeln, hätte tausendfachen Verdacht erweckt. Als sie in Como anlegten, tat die Marchesa so, als ob sie in Grianta Papiere von größter Wichtigkeit vergessen hätte. Schnell schickte sie die Ruderknechte dahin zurück, so daß diese Leute keinerlei Beobachtungen darüber anstellen konnten, auf welche Weise die beiden Damen ihre Zeit in Como verbrachten. Kaum angekommen, mieteten sie auf gut Glück einen Wagen, wie sie an dem bekannten hohen mittelalterlichen Turm über dem Mailänder Tor auf Fahrgäste zu warten pflegen. Unverzüglich fuhr man ab, ohne daß der Kutscher Zeit hatte, mit irgendwem ein Wort zu wechseln. Eine Viertelstunde vor der Stadt begegnete den Damen ein Jäger, den sie kannten und der ihnen, da die Damen keinen männlichen Begleiter hatten, seine Ritterdienste bis an die Tore von Mailand anbot, wohin er einen Jagdausflug machte. Alles ging gut, und die Damen plauderten mit dem jungen Mann auf das vergnügteste, als an einer Biegung der Landstraße um den entzückenden Hügel und das Wäldchen von San Giovanni drei verkleidete Gendarmen den Pferden in die Zügel fielen.
»Ach, mein Mann hat uns verraten!« rief die Marchesa und ward ohnmächtig. Ein Wachtmeister, der ein wenig zurückgeblieben war, trat stolpernd an den Wagenschlag und sagte mit einer Stimme, als ob er aus dem Wirtshaus käme:
»Ich bedauere den Auftrag, den ich zu erfüllen habe, aber ich verhafte Sie, Herr General Fabio Conti!«
Fabrizzio glaubte, der Wachtmeister mache einen schlechten Witz, indem er ihn mit General anredete.
›Das soll dir teuer zu stehen kommen!‹ sagte er sich. Er beobachtete die verkleideten Gendarmen und spähte nach einem günstigen Augenblick, um aus dem Wagen herauszuspringen und sich in die Felder zu retten.
Die Gräfin lächelte keck darauflos und sagte dann zu dem Wachtmeister:
»Bester Herr Wachtmeister, halten Sie diesen sechzehnjährigen Jungen für den General Conti?«
»Sind Sie nicht die Tochter des Generals?« fragte der Wachtmeister.
»Sehen Sie sich meinen Vater an!« scherzte die Gräfin und wies auf Fabrizzio. Die Gendarmen brachen in ein tolles Gelächter aus.
»Zeigen Sie Ihre Pässe vor und reden Sie nicht!« befahl der Wachtmeister, den die allgemeine Heiterkeit ärgerte.
»Die Damen nehmen nie Pässe mit, wenn sie nach Mailand fahren«, sagte der Kutscher mit kalter Philosophenmiene. »Sie kommen von ihrem Schloß Grianta. Das hier ist die Frau Gräfin Pietranera und das die Frau Marchesa del Dongo.«
Gänzlich außer Fassung gebracht, lief der Wachtmeister vor die Pferde des Wagens und beriet sich dort mit seinen Leuten. Diese Beratung dauerte schon reichlich fünf Minuten, als die Gräfin Pietranera die Herren um Erlaubnis bat, daß der Wagen ein paar Schritte weiter in den Schatten fahre. Die Hitze war drückend, obgleich es erst elf Uhr war. Fabrizzio blickte sich sehr aufmerksam um, ob sich nicht ein Weg zur Flucht böte, da saher auf einem Seitenpfad, der durch die Felder führte, ein junges Mädchen der staubigen Landstraße zuschreiten. Es mochte vierzehn bis fünfzehn Jahre alt sein und weinte ängstlich in das vorgehaltene Taschentuch. Zwei Gendarmen in Uniform begleiteten es;
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