Die Karte der Welt (German Edition)
war die ganze Zeit über schon so, während Ihr an seiner Seite geritten seid. Sein Antlitz war lediglich unter dem Helm verborgen.«
Der Flussmensch spuckte ein paar hart klingende Worte aus, die Wex nicht verstand, und alle blickten verwirrt auf.
»Was ist das für eine Sprache?«, fragte Fretter und erhob sich wenigstens auf die Knie, um anzuzeigen, dass er der Anführer der Gruppe war.
Als Antwort schüttelten alle nur müde den Kopf.
»Er glaubt, ich sei ein Monster«, sagte Arkh leise.
»Das bist du ja auch«, murmelte der ältere Winster.
Fretter legte Arkh einen Arm um die Schulter, um zu demonstrieren, dass er zu ihnen gehörte.
Der Flussmensch runzelte lediglich die Stirn und brabbelte aufgeregt weiter.
Fretter nahm Arkhs behandschuhte Klauenhand und tätschelte sie sanft, um zu verdeutlichen, dass Arkh harmlos war.
Endlich schien ihr Retter sich zu beruhigen. Nickend deutete er auf Fretters Schwert und beschrieb mit den Händen einen Kreis.
Mungo murmelte Pinch etwas zu, und der erklärte: »Scheint, als möchte er einen Handel.«
»Einen Handel?«
»Dafür, dass er uns gerettet hat.«
»Ich fühle mich gerade nicht in der rechten Verfassung für Verhandlungen«, erklärte Fretter. »Außerdem haben wir nichts zu geben.«
»Oh doch, das haben wir«, widersprach Pinch. »Euer Schwert.«
Fretter stöhnte verzweifelt auf. »Kommt nicht in Frage. Diese Waffe wurde vom großen Benza von Plynth geschmiedet und ist mehr als einen ganzen Jahressold wert.«
»Aber er hat gerade zwei Eurer Männer gerettet, die kurz vorm Ertrinken waren und wahrscheinlich auch Euch selbst. Ein kleiner Preis, würde ich sagen.«
Pinch wandte sich dem Mann zu, um ihm zu bedeuten, dass sie die Sache gerade besprachen.
»Er kann Spärlings Schwert haben«, erklärte Fretter und deutete auf das Boot.
Darin saß immer noch der schmächtige Soldat, in sich zusammengesunken wie ein nasser Pudel, die Schwertscheide leer. Ein Opfer der Wellen.
Fretter wandte sich an Alver. »Dein Schwert.«
Alver murrte zwar, löste aber das Schwert von seinem Gürtel und hielt es Fretter hin.
Der Flussmensch machte keine Anstalten, es entgegenzunehmen.
»Es sieht so aus, als würde er Eures wollen, Hauptmann«, erklärte Pinch.
Seufzend entledigte sich Fretter seiner Waffe, dann hielt er plötzlich inne. »Einen Moment. Dieser Mann, das bunte Hemd, das er trägt … und er will handeln. Er ist vom fahrenden Volk!«
Wex wusste nur wenig über das fahrende Volk, außer dass sie ständig unterwegs waren, berüchtigt für geschicktes und hartes Verhandeln oder, in nicht wenigen Fällen, offenen Betrug. Sie sprachen einen Mischmasch aus allen möglichen Sprachen, zogen von Stadt zu Stadt und ließen sich dort manchmal für Tage, manchmal auch für Wochen nieder. Nach Zornfleck kamen sie nur selten, weil die Bauern dort nur wenig Geld hatten und es jenseits des Dorfes nichts anderes gab als den Schleier. Nur ein einziges Mal hatte Wex eine der Karawanen mit ihren geheimnisvollen Kutschen und farbigen Bannern gesehen. Sie waren ins Dorf gekommen, hatten Lebensmittel eingetauscht und sich dann sofort wieder nach Süden gewandt, um die Nacht nicht im Schatten des Schleiers verbringen zu müssen.
»Welch Glücksfall«, fuhr Fretter fort. »Die Dame von Zornfleck spricht ihre Sprache!«
Wex sah, wie Brynns Augen sich weiteten.
»Endlich kannst du dein Können unter Beweis stellen«, flüsterte er Brynn ins Ohr, und sie warf ihm einen bösen Blick zu.
»Brynn«, sagte Fretter, »würdet Ihr bitte übersetzen?«
Brynn straffte die Schultern und wandte sich mit einem zögerlichen Nicken an den Fremden, der daraufhin die Worte von vorhin wiederholte.
»Er spricht einen sehr schwierigen Dialekt«, erklärte sie. »Ich habe ihn noch nie zuvor gehört.«
»Da bin ich mir sicher«, murmelte Wex.
Wieder deutete der Mann auf Fretters Schwert.
»Er will Eure Waffe«, sagte Brynn leise.
»Nun, dann redet es ihm aus«, wies Fretter sie an.
Brynn stieß ein paar seltsam tönende Laute hervor, die in Wex’ Ohren kaum wie richtige Worte klangen, und der Mann schüttelte den Kopf.
»Er sagt nein. Er ist ein sehr zäher Verhandlungspartner.«
Der Mann redete weiter und fügte noch ein paar Gesten hinzu, deutete auf die erschöpfte Gruppe, führte die Hand an den Mund und winkte ihnen dann, als sollten sie ihm folgen.
»Ich bin nicht ganz sicher«, sagte Brynn, »aber ich glaube, er will uns als Teil des Handels mit in sein Lager nehmen und uns
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