Die Karte der Welt (German Edition)
etwas zu essen geben.«
»Oder uns essen«, murmelte Wex leise.
»Gute Arbeit«, erklärte Fretter. »Essen und Unterkunft, wenn wir es am dringendsten brauchen. Das ist den hohen Preis beinahe wert.« Er streckte die Scheide mit dem Schwert darin aus, und der Mann nahm sie mit einem schnellen Griff grinsend entgegen. »Sagt ihm, dass wir dankbar sind und erfreut, auch wenn die Kosten etwas hoch sind.«
Brynn brummte noch mehr Unverständliches und vollführte eine elegante Verbeugung.
Der Fremde drehte sich um und bedeutete ihnen, ihm und seinem Boot am Flussufer zu folgen.
»Ganz hervorragende Arbeit, Übersetzerin«, sagte Wex zu Brynn.
»Zieh mich ruhig auf. Aber während du uns nur in Gefahr bringst, habe ich uns in der Not geholfen.« Sie warf den Kopf zurück wie bei ihrer ersten Begegnung, auf genau jene Art, die Wex so unglaublich arrogant und anziehend zugleich fand.
»Ich habe diesen Fluss gezeichnet«, verteidigte er sich.
»Der beinahe zwei von uns das Leben gekostet hätte.«
»Ohne mich wärst du jetzt wahrscheinlich am Altar.«
»Wenn’s doch nur so wäre«, erwiderte Brynn und schritt hoch erhobenen Hauptes zu den Winster-Brüdern hinüber, die sich um sie schlossen wie die Flügel eines Festungstors.
16
Die Gruppe folgte ihrem Retter, der sich Blu zu nennen schien, flussabwärts. Der Weg war nicht weit, doch wurden sie unterwegs von zwei Wachen aufgehalten, die ansonsten nicht viel zu tun zu haben schienen und Blu in ein Gespräch verwickelten, das nur die drei verstanden. Es war einiges an Überzeugungsarbeit nötig, bis die beiden sich bereit erklärten, Arkh mit dem Rest der Gruppe passieren zu lassen.
Wex sah Rauch aufsteigen und stellte sich ein kümmerliches Lager vor, in dem ungepflegte Männer um ein kleines Feuer saßen. Umso überraschter war er, als sie auf eine große Lichtung am Rand des Flusses geführt wurden, in deren Mitte mannshohe Flammen prasselten. Dutzende farbenfroh gekleideter Frauen schwirrten umher, lachten und kochten, während die Männer damit beschäftigt waren, sich um Boote aller Größen und Formen zu kümmern oder in der Nähe des Feuers, begleitet von viel Gelächter und gegenseitigem Schulterklopfen, Würfel zu spielen. Kinder rannten in kleinen Gruppen umher und spielten Fangen, wobei der Fänger sich erst einige Male im Kreis drehen musste, bevor er mit taumelnden Schritten die Verfolgung aufnehmen durfte. Der Geruch von scharf gewürztem Essen stieg Wex in die Nase, und erst jetzt fiel ihm auf, wie die Aufregung und Gefahren des vergangenen Tages seinen immensen Hunger überdeckt hatten. Umgedrehte Boote schienen als Essenstafeln zu dienen, während andere als Werkbänke benutzt wurden. Sogar als Dach über dem Kopf für die Schlafenden wurden sie verwendet, und die Reihen der Bettstätten erstreckten sich bis in den Wald hinein. Das Lager sprudelte nur so vor Leben, und als Blu die durchnässten und erschöpften Reisenden mit ausgebreiteten Armen einlud, ans Feuer zu kommen, jubelten sie vor Freude und Erleichterung.
Männer wie Frauen, ein bunter Haufen von hundert oder mehr, kamen angelaufen, um die Neuankömmlinge zu bestaunen. Sie ließen einen Durchgang frei, damit Blu die Fremden zur Feuerstelle geleiten konnte, dann eilten sie neugierig hinterher. Ohne jede höfliche Zurückhaltung liefen die Kinder neben ihnen her und starrten sie an.
Mungo und die anderen taten ihr Bestes, um Arkh zwischen ihnen zu verbergen, doch es war vergebens.
Erstaunte Ausrufe ertönten. Mit ausgestreckten Fingern deuteten ihre Gastgeber auf Arkh, aufrichtig entsetzt. Auch hier wird er wie ein Ausgestoßener behandelt , dachte Wex. Blu schien alle Mühe zu haben, die stakkatoartig vorgetragenen und von zahlreichen ängstlichen Gesten begleiteten Bedenken zu zerstreuen. Cirilla schien ebenfalls einiges an Aufmerksamkeit zu erregen, wenn auch nicht aus Furcht und Ekel.
Schließlich wurde die Gruppe zu dem lodernden Feuer gebracht, wo ein Brei aus orangefarbenen Beeren, Fisch und Kräutern zu einer Art Brot geröstet und auf einem umgedrehten Kanu in kleine Portionen aufgeteilt wurde. Man reichte ihnen noch einen Eimer Wasser mit einer Schöpfkelle darin, dann ließ das fahrende Volk sie in einer Demonstration großzügiger Gastfreundschaft ungestört essen.
Dennoch erhob sich um sie herum ein derart aufgeregtes Geschnatter, dass Wex gar nicht anders konnte, als sich zu fragen, was da alles über sie geredet wurde. Er schaute zu Brynn hinüber. Sie kaute auf
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