Die Karte der Welt (German Edition)
hatten, das aus beim Spielen häufig vorkommenden Wörtern und Gesten bestand.
Wex versuchte erst gar nicht, sich mit den Fremden zu unterhalten; stattdessen lauschte er und beobachtete die Szenerie. Fretter war frustriert und nachdenklich und beklagte sich bei jedem über seine Rolle als Hauptmann, der zuhören wollte und seine Sprache verstand. Schließlich legte Arkh ihm nahe, dass es vielleicht an der Zeit sei, den härtesten Tag seiner bisherigen Laufbahn zu Ende gehen zu lassen. Was er bräuchte, wären ein paar Stunden anständigen Schlafs, die er obendrein redlich verdient hätte.
Irgendwann hatten alle vierzehn Überlebenden der Gruppe genug und verkrochen sich zum Schlafen. Die Tatsache, dass die Unterkünfte nicht viel mehr waren als schmale Fleckchen grasbewachsener Erde mit einem umgedrehten Boot darüber und schnarchenden Fremden daneben, kümmerte niemanden außer Brynn von Zornfleck. Sie schien geglaubt zu haben, das fahrende Volk hätte für wichtige Gäste stets eine Kutsche mit seidenen Vorhängen und einem Federbett dabei.
Wex hingegen fand, dass eine Nacht auf dem Boden an der Seite von niederem Volk ein vergleichsweise geringer Preis für die Rettung ihres adligen Lebens war. Außerdem , dachte er, sollte sie sich allmählich daran gewöhnt haben .
Die Morgensonne kam bereits unter das Kanu gekrochen, als Wex noch schlief wie ein Stein. Blinzelnd kroch er darunter hervor und fand das Lager bereits von eifriger Betriebsamkeit erfüllt. Er hatte gehört, das fahrende Volk bestünde nicht nur aus Betrügern, sondern auch aus Faulenzern, aber soweit er es bis jetzt beurteilen konnte, arbeiteten sie genauso hart wie jeder Bauer in Zornfleck, vielleicht sogar härter.
Ganz in der Nähe hackte ein Mann Holz, das ein anderer sofort auf einen flachen Lastkahn verlud, und überall arbeiteten sie an den Booten wie Künstler an ihren Werken, einige im Wasser, andere an Land. Eine Frau glättete mit einer Art improvisiertem Hobel den Rumpf eines frisch aus einem Baumstamm geschnittenen Kanus. Zwei Männer bestrichen die Unterseite eines Einbaums, der so schlank war wie ein Aal, mit Baumharz. Das Boot sah schnell aus und war rundherum geschlossen, hatte nur eine kleine Öffnung an der Oberseite, wo der Ruderer sich hinsetzen konnte.
Es gab Boote aus Tierhaut und eines mit einem Segel, was Wex für die Flussschifffahrt ungewöhnlich erschien, und ein reichlich bizarr aussehendes mit etwa einem Dutzend Auslegern, die in allen möglichen Winkeln vom Rumpf abstanden. Noch nie in seinem Leben hatte Wex so viele verschiedene Wasserfahrzeuge gesehen, und er dachte, dass es den anderen wohl genauso gehen musste, außer vielleicht Pinch und Mungo, die aus der Großen Küstenstadt kamen, an deren gigantischen Kais Schiffe jeder Art und Größe anlegten.
Etwas, das aussah wie ein sehr reichhaltiges Brot, lag auf einem Stapel dunkelgrüner Blätter neben Wex’ Schlafstelle. Frühstück. Wex stopfte sich das Gebäck in den Mund, steckte die Blätter ein und ging zum Fluss, um sich etwas Wasser ins Gesicht zu spritzen. Sein Blick wanderte die Reihe der festgemachten Boote entlang. Im dritten entdeckte er Pinch, der sich auf ein paar Leinensäcke gebettet hatte.
Wex ging hinüber, setzte einen Fuß an den Bug und rüttelte. »Guten Morgen.«
Pinchs Brauen wölbten sich, und er blickte ihn durch ein halb geschlossenes Auge an. »Ah, der junge Wexford. Wie gefällt es dir in unserem Paradies?«
»Ist eine willkommene Verschnaufpause, würde ich sagen.«
»Hätte nicht damit gerechnet, mitten in dieser Wildnis die Gelegenheit zu einem Würfelspiel zu bekommen.«
»Nach dem grauenvollen Kampf und dem Tod tapferer Männer hast du es fertiggebracht, dich mit Würfeln zu trösten?«
»Es gibt keine bessere Art, die Sprache und deinen Gastgeber kennenzulernen. Sind ein ziemlich netter Haufen, diese Leute. Haben nicht mal Waffen, weißt du? Verlassen sich ganz auf ihre Boote. Als Unterschlupf, Transportmittel, Fluchtmöglichkeit, zum Fischfang und sogar zum Waschen. Sie können schwimmen wie Otter, egal wie kalt das Wasser ist, und sie machen gerne Kinder, wie du siehst. Sie sind gerissene Händler, bescheißen dich vielleicht ein bisschen, aber sie teilen, was sie haben. Besitztümer anzuhäufen ist bei ihnen eher ein Zeitvertreib als großtuerisches Gehabe. Sie nehmen Fehler nicht so schlimm, würde ich meinen, und deshalb sind sie auch gute Verlierer.« Pinch zog zwei goldene Ringe aus der Tasche, die er am Tag
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