Die Karte Des Himmels
das ziemlich lustig finden würdest. Schau mal, die Kohlen sind endlich ordentlich durchgeglüht. Wenn es dir nichts ausmacht, mir zu helfen, das Essen rauszutragen, können wir mit der Show anfangen.«
Sie beschäftigten sich mit dem Grillen, verspeisten dann eine köstliche Mahlzeit aus Steaks, Würstchen und Salaten, während die Welt um sie herum im Dämmerlicht versank und die Fledermäuse herumzuflitzen begannen. Jude sprach nicht viel. Sie dachte immer noch über das nach, was Euan entdeckt hatte. Nach all den Anstrengungen hatte sie in Esther nicht eine Ahnin der Wickhams gefunden, sondern ihre eigene. Sie konnte es einfach nicht fassen.
»Euan, warum ist all das passiert?«, fragte sie. »Diese ganze Geschichte, meine ich. Die Träume und Esther und Tamsin und ... einfach alles. Wozu ist das alles gut? Was hat es zu bedeuten? Es kommt mir fast so vor, als wären wir in einem Strudel gefangen.«
Er lachte. »Wie um alles in der Welt kommst du darauf, dass ich dir das sagen kann? Ich bin nur ein einfacher Mann, Euer Ehren.«
»Aber trotzdem, wenn man die Geschichte immer weiter zurückverfolgt, dann gelangt man zu Esther, die verängstigt und verloren durch den Wald rennt.«
»Oder noch früher zu Lucille, die in Frankreich ihrer Familie weggenommen wird. Vielleicht kannst du sogar noch weiter zurückgehen. Jude, ich glaube nicht, dass es darauf eine einfache Antwort gibt. Du wirst verrückt, wenn du dir noch länger darüber den Kopf zerbrichst.«
»Das stimmt wohl«, sagte sie und hielt ihm das Weinglas hin.
»Mm, einfach köstlich«, sagte sie schließlich um neun Uhr, nachdem sie eine Schale Himbeeren mit Sahne verzehrt hatte. »Und was ist jetzt mit diesen Nachtfaltern?«
»Willst du wirklich? Ich hab alles vorbereitet.«
»Ja, natürlich. Ich habe doch nicht diesen weiten Weg auf mich genommen, um dann die Falter zu verpassen. Wo gehen wir denn auf die Jagd?«
»Oben am Turm. Da ist es ziemlich geschützt, und ich versuche, regelmäßig über den Bestand Buch zu führen.«
»Was glaubst du, wie viele wir sehen werden?«, fragte Jude, stand auf und reckte sich.
»Oh, bestimmt Hunderte.«
»Hunderte? Wirklich?« Sie hatte mit Dutzenden gerechnet.
»Du wirst schon sehen. Aber ich habe dich noch gar nicht gefragt, ob du für mich die Notizen machen würdest.«
»Als deine Assistentin?«, fragte sie und verschränkte mit gespielter Empörung die Arme. Er lachte.
»Niemals. Wir sind auf Augenhöhe, du und ich«, erwiderte er sanft.
Wenn es nicht schon dunkel gewesen wäre, hätte sie den zärtlichen Ausdruck in seinen Augen sehen können. Denn mit der hereinbrechenden Nacht veränderte sich die Stimmung zwischen ihnen. Die Luft war so dicht wie Sirup, und sie bewegten sich wie im Traum, als sie das Geschirr und die Essensreste wegräumten und sich auf den Ausflug vorbereiteten.
Jude half Euan, mehrere wuchtige Reisetaschen mit Ausrüstung im Kofferraum seines Wagens zu verstauen. Schweigend fuhren sie den kurzen Weg zum Hügel hinauf und dann über die Foxhole Lane. Sie stellten den Wagen in der Nähe des Starbrough Folly ab. Als sie ausstiegen, atmeten sie die frische und kühle Luft unter den Bäumen ein, die kräftigen Düfte der Erde und des Laubs. Es sah nicht so aus, als würde es regnen.
»Es wird eine gute Flugnacht werden«, bemerkte Euan und reichte ihr die kleinste Tasche. Dabei berührte er sie kurz mit der Hand, und wieder spürte sie dieses prickelnde Gefühl. »Bist du sicher, dass es in Ordnung geht? Nachtfalter sind wählerisch. Nässe oder Wind oder Kälte mögen sie gar nicht. Und es gibt kaum Mondlicht, das unserem Licht Konkurrenz machen könnte.«
Zusammen streiften sie durch den Wald, der im abnehmenden Licht in elegantem Schwarz und Gold schimmerte. Als sie auf die Lichtung hinaustraten und sich der Turm vor ihnen abzeichnete, wurde Jude aufs Neue überrascht von seiner schroffen Fremdartigkeit. Heute Nacht gehörte er wieder ihnen, dieser Ort, an dem sie sich das erste Mal begegnet waren und an dem sich so viele wichtige Dinge abgespielt hatten.
»Wir müssen uns hier niederlassen, bei den Bäumen«, sagte Euan und stellte die Taschen ab. Aus einer Tasche holte er einen Gegenstand heraus, der aussah wie eine schwere Autobatterie. »Nachtfalter mögen es nicht, wenn alles offen ist. Hier, nimm das andere Ende.« Sie half ihm, ein weißes Tuch auf dem Boden auszubreiten, und sah zu, wie er eine große Box aufklappte, sie auf dem Tuch abstellte und anschließend einen
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