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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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von den Fuhrknechten gehört hatte. Pater Lorenzo war mindestens ebenso streng wie seine Mutter. Er würde ihn nicht ohrfeigen oder mit der Rute züchtigen, sondern zu einigen Tagen Stubenarrest verdonnern. Das war viel schlimmer als die Rute, weil er dann auf das gute Essen verzichten musste, das seine Mutter kochte. Für die Sängerknaben im Kloster gab es nur zwei karge Mahlzeiten am Tag, damit sie nicht so schnell wuchsen und in den Stimmbruch kamen. »Und das alles wegen diesem Luder Giulia«, schimpfte er und ärgerte sich über den Trotz des Mädchens. Er hätte wirklich gerne gesehen, wie sie unter dem Kittel aussah.
    Giulia wusch unterdessen das Laken, ohne den Fleck ganz beseitigen zu können. Schließlich gab sie es auf, trug das Leintuch wieder zur Bleichwiese und breitete es neben den anderen aus. Sie konnte nur hoffen, dass die Mutter es nicht sofort bemerkte.
    Während sie mit dem leeren Korb in die Stadt zurückkehrte, vergaß sie die Wäsche und dachte an die Messe, die die Chorknaben im Kloster probten. Giovanni da Palestrina, der Komponist und Chorleiter des Papstes, hatte sie extra für das Fest des heiligen Ippolito komponiert. Wie es hieß, hatte ihm Abt Francesco etliche hundert Dukaten dafür zahlen müssen. Giu-lias Vater hatte es ihr erzählt und gesagt, sie sei jeden Denaro davon wert. Giulia stimmte ihm innerlich zu, und die Tatsache, dass so ein nichtswürdiger Bengel wie Ludovico die Solostimme singen durfte, ärgerte sie maßlos. »Mir unter den Kittel schauen wollen!« Die Forderung erbitterte sie immer noch. Am liebsten hätte sie sich bei ihren Eltern beschwert, doch das durfte sie nicht wagen. Ihre Mutter kam sonst noch auf die Idee, die Müllerin zu sich zu bitten und ihr zu sagen, dass ihr Sohn Giulia nachstellte. Mütter hatten eine seltsame Art, Ehen zu stiften. Giulia war noch zu jung für eine Heirat. Aber spätestens in zwei, drei Jahren würde ihre Mutter nach einem Erfolg versprechenden Freier Ausschau halten und hätte ganz sicher nichts dagegen, wenn sie mühelos einen Müllersohn erhielt, der zudem hoch in der Gunst des Grafen stand. Wieder einmal bedauerte Giulia, nur ein Mädchen zu sein.

II .
    A ls Giulia nach Hause kam, war ihr Vater bereits vom Kloster zurückgekehrt. Er lächelte ihr freundlich zu, so dass sie schon Hoffnung schöpfte. Da aber drang die keifende Stimme ihrer Mutter aus der Schlafkammer. »Giulia, bist du das? Wo bist du so lange gewesen? Du hättest längst hier sein sollen. Sicher hast du wieder getrödelt.«
    »Ich habe nicht getrödelt!« Giulia verfluchte Ludovico, weil sie um seinetwillen das Laken noch einmal hatte waschen müssen. Ihre Mutter gab sich mit dieser Antwort jedoch nicht zufrieden, sondern schimpfte in einem fort. Giulia kniff die Lippen zusammen, um keine ungehörige Antwort zu geben. So dumm, faul, halsstarrig und ungeschickt, wie ihr die Mutter es vorwarf, war sie nicht.
    Ihr Vater schien derselben Ansicht zu sein, denn er legte ihr die Hand auf die Schulter und warf ihr einen aufmunternden Blick zu. »Geh jetzt in den Garten und hilf Beppo bei der Arbeit«, riet er ihr, um sie aus der Nähe seiner tobenden Frau zu bringen. Giulia nickte und glitt blitzschnell die Treppe hinab.
    Girolamo Fassi blickte ihr nach, bis sie mit der Hacke über der Schulter das Haus verließ, und trat dann in die Schlafkammer, um nach seiner Frau zu sehen. Unter der Tür kam ihm Assumpta entgegen. Die Magd war noch keine vierzig Jahre alt, wirkte aber bereits alt und grau. Zusammen mit ihrem Ehemann Beppo bildete sie das ganze Gesinde, das er sich leisten konnte. »Es geht ihr wieder schlechter«, raunte sie ihm zu.
    Fassi nickte verbittert. Das hatte er in den letzten Wochen schon zu oft gehört. Er blieb hinter der Türe stehen und starrte in den abgedunkelten Raum. Es war so düster, dass er seine Frau nur als unbestimmbaren Schatten im Bett wahrnehmen konnte. Seufzend ging er zum Fenster und zog die Vorhänge beiseite.
    Maria Fassi kreischte auf. »Was tust du? Du weißt doch, dass ich das Licht nicht vertragen kann.«
    Girolamo drehte sich zu ihr um und musterte sie schweigend. Sie war hager geworden. Ihre Gesichtshaut spannte sich über den Knochen, und ihre dünnen, schon grau werdenden Haare klebten an ihrem Kopf. Nichts erinnerte mehr an das lebensfrohe Mädchen, das er vor zwanzig Jahren geheiratet hatte. Der Vater das jetzigen Grafen von Saletto hatte die Ehe mit der Tochter eines begabten Hofsängers gestiftet, wohl in der Hoffnung,

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