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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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aufgehalten worden, der sich seinem Pferd einfach in den Weg geworfen
hatte. Während der Greis von Pferdehufen zertrampelt wurde, stürzte sich eine wütende
Menge auf den einstmals so fröhlichen Pariser Höfling, von dem wenige Minuten
später nur noch ein blutender Rumpf übrig blieb. Die anderen drei Kreuzritter
hatten entkommen können, und auf sie war ein stattliches Kopfgeld ausgesetzt.
    Claras Begleiter waren überzeugt, die Franzosen würden sich zum
königlichen Heer absetzen, und gaben ihren Pferden die Sporen. Sie wussten,
dass sich Kronprinz Ludwig von Paris aus in südwestliche Richtung in Marsch
gesetzt hatte, um selbst endlich auch dem päpstlichen Gebot zum Kreuzzug gegen
die Häretiker nachzukommen.
    Ludwigs Vater, der französische König Philipp II .
August, hatte sich bislang noch weitgehend aus dem zehnjährigen Streit zwischen
Papst und Häretikern herausgehalten und trotz Drängen des Papstes abgelehnt, am
ersten Kreuzzug gegen die Ketzer teilzunehmen. Schließlich hatten ihm seine
Feldzüge gegen den englischen Johann ohne Land mehr Kopfschmerzen bereitet als
die Albigenser, in seinen Augen ungefährliche schwärmerische Trottel und die
ganze Aufregung nicht wert, die um sie gemacht wurde. Allerdings hatte er
gleich den Häretikern – wenn auch aus anderen Gründen – ebenfalls einiges am
Verhalten des Papstes auszusetzen, der ihn selbst ja schon einmal
exkommuniziert und damit sein Land an den Rand eines Abgrundes getrieben hatte.
    Mit einzelnen Päpsten hatte er gewisse Probleme, doch die Autorität
des Heiligen Stuhls stellte er nicht grundsätzlich infrage. Als Johann ohne
Land vor seinem Tod die Unverfrorenheit besaß, dem Papst England zu übereignen,
starb zwar König Philipps Traum von einem französisch regierten Albion, nicht
aber der von einer gehörigen Ausweitung seines Reichsgebietes. Und so reizte
ihn jetzt die Aussicht, mit heiligem Segen das einstige Septimanien, um das
schon Karl der Große und dessen Erben erbittert gekämpft hatten, der französischen
Krone einzuverleiben. Zudem klang Krieg gegen die Ketzer erhebender als Eroberungsfeldzug und würde sich den raffgierigen französischen Baronen, deren Unterstützung er
brauchte, wesentlich besser verkaufen lassen, da reiche Beute mit und in den
Burgen der ketzerfreundlichen Okzitanier zu erwarten war.
    »Die Grafen von Toulouse sind seit jeher gefährlich. Einer hat einst
gar das gesamte Karolingerreich zusammenbrechen lassen«, verkündete König
Philipp in Gegenwart seines Sohnes Ludwig. Dieser erklärte sich sofort bereit,
dem derzeitigen Grafen von Toulouse, einem Oheim seiner Gemahlin Blanka, die
Stirn zu bieten. Der böse alte Raimund sollte dafür büßen, Ketzern, die das
römische Christentum bedrohten, Zuflucht zu gewähren. Er sollte seine Länder
verlieren, somit auch den Gewinn aus allen reichen Gaben der südlichen Erde,
und sämtlicher Ämter enthoben werden. Mit dem Segen des Papstes, zehntausend
Bogenschützen und sechshundert Rittern brach Ludwig frohgemut gen Süden auf.
    Clara begann unruhig zu werden, als ihre Begleiter nach
Einbruch der Dämmerung keine Anstalten machten, eine passende Unterkunft für
die Nacht zu finden. Auf der Hinreise hatte sie in Klöstern, Herbergen,
Bauernhöfen und einmal in einer Scheune geschlafen, aber immer ein Dach über
dem Kopf gehabt. Doch ihr Drängen stieß bei den Männern auf taube Ohren und
ihre Hinweise auf passende Gebäude wurden ignoriert. So musste sie sich mit
einem Nachtlager am Fuße eines Machandelbaums unter freiem Himmel neben einem
Fluss begnügen, den sie auf der Hinreise nicht wahrgenommen hatte. Während sie
sich in ihren Reisemantel einwickelte, schwor sie sich, eine solche Behandlung
in der nächsten Nacht keinesfalls zu dulden. Lange noch starrte sie in den
sternenreichen Himmel, den sie im verräucherten Paris nie so klar gesehen
hatte, und grübelte darüber nach, wie sie ihre Begleiter in der nächsten Nacht
dazu bringen könnte, eine Herberge aufzusuchen.
    Doch an die nächste Nacht würde sich Clara später ebenso wenig
erinnern können wie an die Angreifer, die am Tag darauf in der Hitze des
Mittags am Rande eines in früher Blüte befindlichen Lavendelfeldes mit
erhobenen Lanzen und blanken Schwertern plötzlich das kleine Grüppchen
umzingelten. Der Angriff erfolgte rasend schnell. Als Clara vom Pferd stürzte,
spürte sie einen brennenden Schmerz in der Brust, und dann wurde es am
helllichten Tag stockfinstere Nacht um sie.
    Eine

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