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Die Kathedrale des Meeres

Titel: Die Kathedrale des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falcones Ildefonso
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Privilegien verlangt. Schließlich schrieb Pedro der Große diese Rechte während des Krieges gegen Sizilien in einem Kodex fest.« Der Alte hatte gestockt. » Recognoverunt proceres heißt er, glaube ich. Dort steht geschrieben, dass wir die Freiheit erwerben können. Barcelona braucht Arbeiter, freie Arbeiter.«
    Am nächsten Tag war der Junge nicht zu der vom Herrn festgesetzten Zeit erschienen. Und auch nicht am darauffolgenden Tag. Sein Vater aber hatte schweigend weitergearbeitet. Nach drei Monaten hatte man den Jungen, angetrieben von Peitschenhieben, in Ketten zurückgebracht. Doch alle glaubten, einen Funken Stolz in seinen Augen erkennen zu können.
    Von den Höhen der Sierra de Collserola, auf der alten Römerstraße, die Ampurias mit Tarragona verband, sah Bernat der Freiheit entgegen … und erblickte das Meer! Er hatte es noch nie zuvor gesehen, hatte sich diese gewaltige Wasserfläche, die kein Ende zu haben schien, nicht einmal ausmalen können. Er wusste, dass es auf der anderen Seite dieses Meeres katalanische Besitzungen gab, das erzählten die Händler, aber vorstellen konnte er sich das nicht so recht. Zum ersten Mal sah er etwas, das kein Ende zu haben schien. »Hinter diesen Bergen.« – »Auf der anderen Seite des Flusses.« Immer hatte er Fremden, die nach dem Weg fragten, einen solchen Punkt benennen können … Er blickte zum Horizont, der mit dem Wasser verschmolz. So schaute er eine Weile in die Ferne, während er Arnaus Köpfchen streichelte, über die weichen, lockigen Haare, die ihm während der Zeit in den Bergen gewachsen waren.
    Dann sah er dorthin, wo das Meer auf Land traf. Fünf Schiffe ankerten vor der kleinen Insel Maians. Bis zu diesem Tag hatte Bernat lediglich Zeichnungen von Schiffen gesehen. Zu seiner Rechten erhob sich der Berg Montjuïc, der ebenfalls vom Meer umspült wurde. Zu seinen Füßen erstreckten sich Felder und Ebenen, bis hin zu den Stadtmauern von Barcelona. Innerhalb der Mauern befanden sich Hunderte von Häusern. Einige duckten sich flach zwischen die Nachbarbauten, andere waren von majestätischer Pracht: Paläste, Kirchen, Klöster … Bernat fragte sich, wie viele Leute dort leben mochten. Die Stadt schien ihm wie ein Bienenstock. Außer zum Meer hin war sie an allen Seiten von Mauern umgeben, und jenseits der Mauern nur noch Felder. Vierzigtausend Menschen lebten hier, hatte er gehört.
    »Wie soll man uns unter vierzigtausend Menschen finden?«, murmelte er und sah Arnau an. »Du wirst frei sein, mein Sohn.«
    Dort konnten sie untertauchen. Er würde nach seiner Schwester suchen. Doch Bernat wusste, dass er zuerst durch die Stadttore musste. Und wenn Llorenç de Bellera seine Beschreibung ausgegeben hatte? Das Muttermal … In den drei Nächten, die er von den Bergen bis hierher gebraucht hatte, hatte er darüber nachgedacht. Er setzte sich auf den Boden und ergriff einen Hasen, den er mit der Armbrust erlegt hatte. Er schnitt ihm die Kehle durch und ließ das Blut auf seine Handfläche tropfen, in der er ein kleines Häuflein Sand hielt. Er vermischte das Blut mit dem Sand, und als die Mischung zu trocknen begann, strich er sie über sein rechtes Auge. Dann steckte er den Hasen in den Sack.
    Als er merkte, dass die Paste getrocknet war und er das Auge nicht mehr öffnen konnte, begann er den Abstieg zum Stadttor Santa Anna im nördlichen Teil der westlichen Stadtmauer. Die Leute bildeten eine Schlange auf dem Weg, um in die Stadt zu gelangen. Bernat schloss sich ihnen an, wobei er leicht die Füße nachzog, während er unablässig das Kind streichelte, das mittlerweile wach war. Ein barfüßiger Bauer, der sich unter einem großen Sack Rüben beugte, wandte sich zu ihm um. Bernat lächelte ihm zu.
    »Lepra!«, schrie der Bauer, ließ den Sack fallen und sprang mit einem Satz vom Weg.
    Bernat sah, wie die ganze Schlange bis hin zum Stadttor sich auflöste und zu beiden Seiten in den Straßengraben zurückwich. Sie rückten von ihm ab und ließen Gegenstände und Lebensmittel, mehrere Karren und einige Maultiere vor dem Stadttor zurück. Und mittendrin tappten schreiend die Blinden umher, die vor dem Stadttor Santa Anna um Almosen bettelten.
    Arnau begann zu weinen, und Bernat sah, wie die Soldaten ihre Schwerter zogen und die Tore schlossen.
    »Geh zum Siechenhaus!«, schrie ihm jemand von Ferne zu.
    »Es ist keine Lepra!«, protestierte Bernat. »Ich habe mir einen Ast ins Auge gestoßen. Seht her!« Bernat hob die Hände und bewegte sie. Dann

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