Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Kathedrale des Meeres

Titel: Die Kathedrale des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falcones Ildefonso
Vom Netzwerk:
während sie mit zwei Fingern an dem Kittel zupfte.
    »Das ist ganz normal«, erklärte Aledis. »Ihr habt das hier vergessen.«
    Aledis zeigte ihnen zwei Bänder, die aus dem gleichen farblosen, groben Stoff waren wie die Kittel. Die beiden Mädchen traten näher, um sie zu nehmen.
    »Was ist das?«, fragte Teresa.
    »Leibbinden. Damit macht ihr …«
    »Nein, du hast doch nicht etwa vor …«
    »Anständige Frauen verstecken ihre Brüste.« Die beiden wollten protestieren. »Zuerst die Leibbinden«, befahl Aledis, »dann die Hemden und darüber die Umschlagtücher. Und seid froh, dass ich euch Kittel gekauft habe und keine Büßerhemden«, setzte sie angesichts der empörten Blicke der Mädchen hinzu. »Vielleicht täte es euch ganz gut, ein wenig Buße zu üben.«
    Die drei mussten sich gegenseitig beim Anlegen der Leibbinden helfen.
    »Ich dachte, wir sollten die beiden Adligen verführen«, sagte Eulàlia, während Aledis die Leibbinde über ihren üppigen Brüsten festzurrte. »Ich weiß nicht, wie wir damit …«
    »Lass mich nur machen«, antwortete Aledis. »Die Kleider sind weiß, ein Symbol der Jungfräulichkeit. Diese beiden Schwachköpfe werden sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, mit zwei Jungfrauen zu schlafen. Und merkt euch: Ihr habt keine Erfahrung mit Männern«, schärfte Aledis ihnen ein, während sie sich weiter ankleideten, »also seid weder kokett noch frivol. Ziert euch. Weist sie so oft zurück wie nötig.«
    »Und wenn wir sie so oft abweisen, dass sie schließlich aufgeben?«
    Aledis sah Teresa mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    »Dummerchen«, sagte sie lächelnd. »Ihr müsst nichts weiter tun, als sie zum Trinken zu bringen. Der Wein erledigt den Rest. Solange ihr in ihrer Nähe seid, werden sie nicht aufgeben, das versichere ich euch. Und denkt daran, dass Francesca von der Kirche verhaftet wurde, nicht auf Veranlassung des Stadtrichters. Also lenkt die Unterhaltung auf religiöse Themen …«
    Die beiden Mädchen sahen sie überrascht an.
    »Religiöse Themen?«, fragten sie wie aus einem Munde.
    »Ich weiß, dass ihr euch nicht besonders damit auskennt«, gab Aledis zu. »Setzt eure Phantasie ein. Ich glaube, es geht um Hexerei. Als ich aus dem Bischofspalast geworfen wurde, hat man mich als Hexe beschimpft.«
    Einige Stunden später ließen die Wachen am Stadttor Trentaclaus eine schwarz gekleidete Frau passieren, deren Haar zu einem Knoten gebunden war. Sie befand sich in Begleitung ihrer beiden weiß gekleideten Töchter. Auch sie hatten das Haar streng nach hinten gebunden und waren weder geschminkt noch parfümiert. In ihren einfachen Strohschuhen gingen sie mit gesenkten Köpfen hinter der schwarz gekleideten Frau her, den Blick auf ihre Fersen geheftet, wie es ihnen Aledis gesagt hatte.

49
    Die Tür zum Kerker wurde aufgerissen. Die Uhrzeit war ungewöhnlich. Die Sonne stand noch nicht tief genug und es kam kaum Licht durch das kleine Gitterfenster. Das Elend, das in der Luft hing, schien jede Helligkeit fernhalten zu wollen, und das schwache Licht vermischte sich mit dem Staub und den Ausdünstungen der Gefangenen. Es war eine ungewöhnliche Uhrzeit und alle Schemen begannen sich zu regen. Arnau hörte das Rasseln der Ketten, das sofort verstummte, als der Kerkermeister mit einem neuen Gefangenen hereinkam. Sie kamen nicht, um jemanden abzuholen. Noch einer … Noch eine, korrigierte sich Arnau, als er die Umrisse einer alten Frau auf der Türschwelle sah. Welches Vergehen mochte diese arme Frau begangen haben?
    Der Kerkermeister stieß das neue Opfer in das Verlies. Die Frau fiel zu Boden.
    »Steh auf, du Hexe!«, dröhnte es durch den Kerker. Doch die Hexe rührte sich nicht. Zwei dumpfe Schläge hallten von den Wänden wider. »Du sollst aufstehen, habe ich gesagt!«
    Arnau beobachtete, wie die Schemen mit den Wänden zu verschmelzen versuchten, an die sie gekettet waren. Es waren dieselben Schreie, derselbe Befehlston, dieselbe Stimme. In den Tagen, die er nun bereits in diesem Kerker verbrachte, hatte er diese donnernde Stimme schon einige Male auf der anderen Seite der Tür gehört, nachdem zuvor einer der Gefangenen losgekettet worden war. Er hatte gesehen, wie die Schemen sich duckten und aus lauter Angst vor der Folter erbrachen. Zuerst hörte man die Stimme brüllen und gleich darauf das durchdringende Heulen eines misshandelten Körpers.
    »Steh auf, du alte Hure!«
    Der Kerkermeister trat erneut nach ihr, doch die alte Frau rührte sich immer noch

Weitere Kostenlose Bücher