Die Kathedrale des Meeres
die Banner, die nun die Calle del Bisbe hinunterzogen. Jaume de Bellera zwang Genis, ihn anzusehen.
»Was hast du vor?«
Genis Puig betrachtete erneut die Banner und versuchte, sich von Jaume de Bellera loszureißen.
»Ich will Rache!«, entgegnete er.
»Aber nicht so!«, riet ihm der Herr von Bellera. »Das ist nicht der richtige Weg!« Dann schüttelte er Genis aus Leibeskräften, bis dieser zur Besinnung kam. »Wir werden einen Weg finden …«
Genis sah ihn durchdringend an. Seine Lippen bebten.
»Schwörst du es mir?«
»Bei meiner Ehre.«
Als das Bürgerheer von der Plaza Nova abzog und die letzten Siegesrufe in der Calle del Bisbe verhallten, wurde es still im Gerichtssaal. Nur der schwere Atem des Inquisitors war zu hören. Niemand hatte sich gerührt. Die Soldaten hielten die Stellung und gaben sich alle Mühe, dass ihre Waffen und Rüstungen nicht verräterisch klirrten. Nicolau sah die Anwesenden an. Worte waren überflüssig. »Verräter«, sagte der Blick, den er Berenguer d'Erill zuwarf. »Feiglinge«, gab er den Übrigen stumm zu verstehen. Als er sich schließlich den Soldaten zuwandte, bemerkte er Guillem.
»Was hat dieser Ungläubige hier zu suchen?«, schrie er.
Der Hauptmann wusste nicht, was er antworten sollte. Guillem war mit den Ratsherren hereingekommen, und er hatte ihn nicht bemerkt, weil er mit den Anweisungen des Inquisitors beschäftigt gewesen war. Guillem wiederum wollte abstreiten, dass er ein Ungläubiger war, und seine Taufe erwähnen, doch dann tat er es nicht: Trotz der Bemühungen des Generalinquisitors hatte das Sanctum Officium keine rechtliche Handhabe gegen Juden und Mauren. Nicolau konnte ihn nicht festnehmen.
»Mein Name ist Sahat von Pisa«, sagte Guillem laut und vernehmlich, »und ich möchte mit Euch sprechen.«
»Ich habe nichts mit einem Ungläubigen zu besprechen. Werft ihn hinaus!«
»Ich glaube, was ich Euch zu sagen habe, wird Euch interessieren.«
»Was du glaubst, ist mir völlig gleichgültig.«
Nicolau gab dem Hauptmann ein Zeichen und dieser zog sein Schwert.
»Vielleicht ist es Euch nicht gleichgültig, zu erfahren, dass Arnau Estanyol bankrott ist«, setzte Guillem hinzu, während er vor dem Hauptmann zurückwich. »Ihr werdet keinen einzigen Sueldo aus seinem Vermögen bekommen.«
Nicolau seufzte und sah an die Decke. Ohne auf einen ausdrücklichen Befehl zu warten, senkte der Hauptmann das Schwert.
»Erkläre dich, Ungläubiger«, forderte der Inquisitor Guillem auf.
»Ihr habt Arnau Estanyols Rechnungsbücher. Seht sie Euch genau an.«
»Denkst du, das haben wir nicht bereits getan?«
»Ihr solltet wissen, dass die Schulden des Königs erlassen wurden.«
Guillem selbst hatte die entsprechenden Dokumente unterzeichnet und an Francesco de Perellós übergeben. Arnau hatte seine Vollmachten nie löschen lassen, wie der Maure aus den Büchern des Magistrats ersah.
Nicolau verzog keine Miene. Alle im Raum hatten den gleichen Gedanken: Das also war der Grund, weshalb der Stadtrichter nicht eingegriffen hatte.
Es vergingen einige Sekunden, in denen Guillem und Nicolau sich mit Blicken maßen. Guillem wusste, was dem Inquisitor in diesem Moment durch den Kopf ging. ›Was wirst du jetzt deinem Papst sagen? Wie willst du ihm die versprochene Summe zahlen? Der Brief ist bereits unterwegs, und es gibt keine Möglichkeit, ihn abzufangen, bevor er den Papst erreicht. Was willst du ihm sagen? Du bist auf seine Unterstützung gegen den König angewiesen, den du dir zum Feind gemacht hast.‹
»Und was hast du mit all dem zu schaffen?«, fragte Nicolau schließlich.
»Das kann ich Euch erklären … unter vier Augen«, verlangte Guillem angesichts der Herablassung, mit der Nicolau ihn behandelt hatte.
»Die Stadt erhebt sich gegen die Inquisition, und nun verlangt ein gewöhnlicher Ungläubiger eine Privataudienz von mir!«, tobte Nicolau. »Wofür haltet ihr euch?«
›Was wirst du deinem Papst sagen?‹, schien Guillems Blick zu fragen. ›Willst du, dass ganz Barcelona von deinen Machenschaften erfährt?‹
»Durchsucht ihn«, wies der Inquisitor den Hauptmann an. »Vergewissert euch, dass er keine Waffen bei sich trägt, und führt ihn in den Vorraum meines Arbeitszimmers. Dort wartet ihr, bis ich komme.«
Bewacht von dem Hauptmann und zwei Soldaten, stand Guillem im Vorzimmer des Inquisitors. Er hatte nie den Mut gehabt, Arnau zu erzählen, dass sein Vermögen aus dem Import von Sklaven stammte. Die Schulden des Königs waren
Weitere Kostenlose Bücher