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Die Kathedrale des Meeres

Titel: Die Kathedrale des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falcones Ildefonso
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getilgt, und wenn die Inquisition Arnaus Vermögen konfiszierte, so galt das auch für seine Verpflichtungen – und nur er, Guillem, wusste, dass die Gutschriften zugunsten von Abraham Levi falsch waren. Wenn er nicht die Verzichtserklärung vorlegte, die der Jude damals unterschrieben hatte, war Arnau mittellos.

56
    Auf der Plaza Nova entfernte sich Francesca rasch vom Eingang des Bischofspalasts und drückte sich an die Mauer. Von dort aus sah sie zu, wie sich die Menschen auf Arnau stürzten und wie die Ratsherren vergeblich versuchten, ihn schützend in ihre Mitte zu nehmen. »Sieh deinen Sohn an!«, hatte Nicolau so laut gebrüllt, dass er das Geschrei der Menge draußen übertönte. »Du wolltest doch, dass ich ihn ansehe, Inquisitor? Dort ist er, und er hat über dich gesiegt.« Francesca stellte sich auf die Zehenspitzen, als sie sah, dass Arnau einen Schwächeanfall hatte, doch dann verlor sie ihn endgültig aus den Augen, während ringsum alles ein einziges Meer von Köpfen, Waffen und Bannern war und mittendrin, heftig schwankend, die kleine steinerne Statue der Jungfrau.
    Nach und nach strömte das Bürgerheer, immer noch schreiend und Waffen schwenkend, die Calle del Bisbe hinunter. Francesca rührte sich nicht von der Stelle. Sie musste sich gegen die Mauer lehnen, ihre Beine trugen sie nicht mehr. Als der Platz sich leerte, sahen sie sich. Aledis hatte nicht mit Mar und Joan gehen wollen, denn Francesca konnte sich unmöglich bei den Ratsherren befinden. Eine Frau wie sie … Und da stand sie! Aledis schnürte es die Kehle zu, als sie sah, wie sich Francesca Halt suchend an der Mauer festhielt, klein, gebeugt und hilflos.
    Sie wollte gerade zu ihr laufen, doch in diesem Moment wagten sich die Soldaten der Inquisition wieder vor den Eingang des Palasts, nachdem sich das Lärmen der Menge immer weiter entfernte. Francesca stand nur wenige Schritte vom Portal entfernt.
    »Hexe!«, beschimpfte sie der erste Soldat.
    Aledis blieb direkt vor Francesca und den Soldaten stehen.
    »Lasst sie in Ruhe!«, rief sie. Nun befanden sich bereits mehrere Soldaten vor dem Tor. »Lasst sie in Ruhe, oder ich rufe Hilfe«, drohte sie und deutete auf die letzten bewaffneten Männer, die in die Calle del Bisbe einbogen.
    Die Soldaten sahen ihnen hinterher, doch einer zog sein Schwert.
    »Der Inquisitor wird den Tod einer Hexe begrüßen«, sagte er.
    Francesca achtete gar nicht auf die Soldaten. Sie hatte nur Augen für die Frau, die ihr entgegengelaufen war. Wie viele Jahre hatten sie miteinander verbracht? Was hatten sie alles gemeinsam durchgemacht?
    »Lasst sie in Ruhe, ihr Schweine!«, schrie Aledis, während sie einige Schritte rückwärts machte, um zu dem abrückenden Bürgerheer hinüberzulaufen, doch der Soldat hatte bereits die Waffe gegen Francesca erhoben. Die Klinge des Schwertes schien größer zu sein als die alte Frau. »Lasst sie in Ruhe«, wimmerte sie.
    Francesca sah, wie Aledis die Hände vors Gesicht schlug und auf die Knie sank. Seit sie das Mädchen in Figueras aufgenommen hatte, waren sie unzertrennlich gewesen. Und nun sollte sie sterben, ohne sie noch einmal umarmt zu haben?
    Der Soldat hatte bereits alle Muskeln angespannt, als Francesca ihn durchdringend ansah.
    »Hexen sterben nicht durch das Schwert«, sagte sie mit ruhiger Stimme. Die Waffe in der Hand des Soldaten zitterte. Was sagte die Frau da? »Nur der Feuertod kann sie läutern.«
    Stimmte das? Der Soldat sah Hilfe suchend zu seinen Kameraden, doch diese wichen langsam zurück.
    »Wenn du mich mit dem Schwert tötest, werde ich dich dein Leben lang verfolgen. Euch alle!«
    Es war schwer vorstellbar, dass sich die Stimme, die sie soeben gehört hatte, aus diesem schwachen Körper entrungen haben sollte. Aledis sah auf.
    »Ich werde euch verfolgen«, flüsterte Francesca, »eure Frauen und Kinder, und eure Kindeskinder samt ihren Frauen. Ich verfluche euch!«
    Zum ersten Mal, seit sie den Bischofspalast verlassen hatte, löste sie sich von der stützenden Wand. Die Soldaten waren im Palast verschwunden, nur noch der mit dem gezückten Schwert stand da.
    »Ich verfluche dich«, sagte sie und wies mit dem Finger auf ihn. »Töte mich, und du wirst selbst im Tod keine Ruhe finden. Ich werde mich in tausend Würmer verwandeln und deine Organe auffressen. Deine Augen sollen meine sein in alle Ewigkeit.«
    Während Francesca den Soldaten weiter einschüchterte, stand Aledis auf und ging zu ihr. Sie legte ihr den Arm um die Schulter und ging

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