Die Kathedrale des Meeres
zwängen, aber sie hat es mir nicht erlaubt. Sie sagte, sie will nicht, dass ich sie sehe.«
»Warum lächelst du?«
Joanet ging einige Meter weiter, bevor er antwortete: »Sie sagt, ich soll immer lächeln.«
Für den Rest des Vormittags trottete Arnau mit gesenktem Kopf hinter diesem schmutzigen Jungen her, der niemals das Gesicht seiner Mutter gesehen hatte.
»Seine Mutter streichelt ihm durch ein kleines Fenster über den Kopf«, erzählte Arnau seinem Vater an diesem Abend im Flüsterton, als sie gemeinsam auf der Matratze lagen. »Er hat sie noch nie gesehen. Sein Vater erlaubt es ihm nicht, und sie auch nicht.«
Auch Bernat strich seinem Sohn über den Kopf, genau wie Arnau es ihm von der Mutter seines neuen Freundes erzählt hatte. Das Schnarchen der Sklaven und Lehrlinge, mit denen sie den Raum teilten, war in der Stille zu hören, die zwischen ihnen herrschte. Bernat fragte sich, welches Vergehen diese Frau begangen haben mochte, um eine solche Strafe verdient zu haben.
Ponç, der Kupferschmied, hätte ihm die Antwort ohne zu zögern geben können: »Ehebruch!«
Er hatte es Dutzende Male erzählt, jedem, der es hören wollte.
»Ich habe sie dabei ertappt, wie sie es mit ihrem Liebhaber trieb, einem jungen Burschen in ihrem Alter. Sie nutzten die Stunden aus, die ich in der Schmiede arbeitete. Ich ging natürlich zum Stadtrichter, um die gerechte Wiedergutmachung einzufordern, die unsere Gesetze vorschreiben.«
Und der kräftige Kupferschmied machte sich sogleich daran, von dem Gesetz zu erzählen, das dazu beigetragen hatte, Gerechtigkeit walten zu lassen.
»Unsere Oberen sind kluge Männer, sie wissen um die Ruchlosigkeit des Weibes. Nur adlige Damen können sich durch einen Eid von der Anklage des Ehebruchs freisprechen. Die Übrigen, wie meine Joana, müssen ihre Unschuld in einem Duell unter Beweis stellen und werden einem Gottesurteil unterworfen.«
Diejenigen, die bei dem Duell dabei gewesen waren, erinnerten sich daran, wie Ponç Joanas jugendlichen Liebhaber in Stücke zerrissen hatte. Gott hatte nur wenig zwischen dem von der Arbeit in der Schmiede gestählten Kesselmacher und dem zarten, liebestrunkenen Jüngling auszurichten vermocht.
Das königliche Urteil wurde gemäß den örtlichen Gesetzen gesprochen: »Gewinnt die Frau, soll ihr Gatte sie in Ehren wieder aufnehmen und für sämtliche Ausgaben aufkommen, welche die Frau oder ihre Freunde in dieser Sache gehabt haben mögen, sowie für mögliche Verletzungen des Duellanten. Sollte sie indes verlieren, werde sie selbst mitsamt ihrem ganzen Besitz an ihren Mann übergeben.« Ponç konnte nicht lesen, aber er betete den Inhalt des Urteils aus dem Gedächtnis herunter, während er jedem, der es sehen wollte, das Dokument zeigte:
»Hiermit verfügen wir, dass Ponç, sollte er wollen, dass ihm Joana übergeben wird, eine angemessene Kaution zu leisten und die Versicherung zu geben hat, dass er sie bei sich zu Hause in einem Raum von zwölf Spannen Länge, sechs Spannen Breite und zwei Stockbreit Höhe unterbringt. Er verpflichtet sich, ihr ausreichend Stroh zu geben, um darauf zu schlafen, und eine Decke, um sich darunter zu wärmen. Er muss ein Loch ausheben, damit sie ihre Notdurft verrichten kann, und ein Fenster brechen, durch welches Joana ihre Verpflegung erhält. Ponç ist gehalten, ihr täglich zwölf Unzen durchgebackenes Brot zu geben, des Weiteren so viel Wasser, wie sie verlangt. Es ist ihm verboten, ihr etwas zu reichen, das ihren Tod beschleunigt, oder etwas zu tun, das besagte Joana töten könnte. Aus all diesen Gründen muss Ponç eine angemessene Kaution und Versicherung abgeben, bevor man ihm Joana übergibt.«
Ponç brachte die Kaution, die der Stadtrichter von ihm verlangte, und dieser übergab ihm Joana. Der Kupferschmied errichtete in seinem Garten einen Raum von zweieinhalb Metern auf einen Meter zwanzig, hob eine Grube aus, damit die Frau ihre Notdurft verrichten konnte, brach das Fenster in die Wand, durch das sich Joanet, der neun Monate nach dem Urteil zur Welt kam und nie von Ponç anerkannt wurde, über den Kopf streicheln ließ, und mauerte seine junge Frau ein.
»Vater«, flüsterte Arnau Bernat zu, »wie war meine Mutter? Weshalb habt Ihr mir nie von ihr erzählt?«
Was soll ich ihm sagen? Dass sie ihre Jungfräulichkeit unter den Stößen eines betrunkenen Adligen verlor? Dass aus ihr die öffentliche Frau auf der Burg des Herrn von Bellera wurde?, fragte sich Bernat.
»Deiner Mutter«, antwortete
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