Die Kathedrale des Meeres
ihnen nicht folgten – wahrscheinlich galt ihr Augenmerk eher den Juden, die über ihren Platz gingen –, verlangsamten sie ihre Schritte. Sie waren kaum eine Straße von der Plaza Sant Jaume entfernt, als sie auf eine weitere Kirche stießen. Sie blieben vor der Treppe stehen und sahen sich an. Joanet deutete auf die Tür.
»Lass uns warten«, sagte Arnau.
In diesem Moment kam eine alte Frau aus der Kirche und stieg langsam die Treppe hinunter. Arnau überlegte nicht lange.
»Gute Frau«, sagte er, als sie auf der Straße stand, »was ist das für eine Kirche?«
»Sant Miquel«, antwortete die Frau, ohne stehen zu bleiben.
Arnau seufzte. Sant Miquel.
»Wo gibt es hier noch eine Kirche?«, fragte Joanet dazwischen, als er den enttäuschten Gesichtsausdruck seines Freundes sah.
»Gleich am Ende dieser Straße.«
»Und was ist das für eine?« Mit seiner erneuten Frage weckte er zum ersten Mal die Aufmerksamkeit der Frau.
»Das ist die Kirche Sant Just i Pastor. Weshalb wollt ihr das so genau wissen?«
Die Jungen gaben keine Antwort und ließen die alte Frau stehen, die ihnen hinterhersah, wie sie mit gesenkten Köpfen davonschlichen.
»Alles Männerkirchen!«, entfuhr es Arnau. »Wir müssen eine Frauenkirche finden. Dort ist bestimmt auch die Jungfrau Maria.«
Joanet ging nachdenklich weiter.
»Ich kenne da einen Ort …«, sagte er schließlich. »Da sind nur Frauen. Es ist am Ende der Stadtmauer, gleich am Meer. Er heißt …« Joanet versuchte sich zu erinnern. »Er heißt Santa Clara.«
»Santa Clara ist nicht die Jungfrau Maria.«
»Aber sie ist eine Frau. Bestimmt ist deine Mutter bei ihr. Oder ist sie mit einem Mann zusammen, der nicht dein Vater ist?«
Sie gingen die Calle de la Ciutat entlang bis zum Portal de la Mar, dem Stadttor am Meer, das sich neben der Festung Regomir in der alten römischen Stadtmauer befand. Von dort führte ein Weg zum Konvent Santa Clara, das den östlichen Abschluss der neuen Stadtmauer bildete, gleich am Meer. Nachdem sie die Festung Regomir hinter sich gelassen hatten, wandten sie sich nach links und gingen weiter bis zur Calle de la Mar, die von der Plaza del Blat bis zur Kirche Santa María del Mar führte und weiter in kleinen, parallel verlaufenden Gässchen auslief, die am Strand mündeten. Von dort gelangte man, wenn man die Plaza del Born und den Pia d'en Llull überquerte, durch die Calle de Santa Clara zu dem gleichnamigen Kloster.
Trotz des unbedingten Wunsches, die Kirche zu finden, nach der sie suchten, konnte keiner der beiden Jungen dem Impuls widerstehen, an den Ständen der Silberschmiede zu verweilen, die sich zu beiden Seiten der Calle de la Mar befanden. Barcelona war eine prosperierende, reiche Stadt, und die zahllosen kostbaren Gegenstände, die an diesen Ständen feilgeboten wurden, waren ein guter Beleg dafür: Silbergeschirr, Krüge und Becher aus wertvollen Metallen mit eingearbeiteten Edelsteinen, Ketten, Armbänder und Ringe, Gürtel, eine schier endlose Menge von Kunstwerken, die in der Sommersonne funkelten und auf die Arnau und Joanet einen Blick zu erhaschen versuchten, bevor der Goldschmied sie zum Weitergehen nötigte.
Während sie vor dem Lehrling eines der Silberschmiede Reißaus nahmen, gelangten sie zur Plaza de Santa María. Zu ihrer Rechten lag ein kleiner Friedhof, der Fossar Mayor, zu ihrer Linken die Kirche.
»Nach Santa Clara müssen wir dort entlang …«, begann Joanet, doch dann verstummte er. Das hier war beeindruckend!
»Wie sie das wohl gemacht haben?«, fragte sich Arnau, während er mit offenem Mund dastand.
Vor ihnen erhob sich eine mächtige, trutzige Kirche, streng, abweisend, gedrungen, ohne Fenster und mit außergewöhnlich dicken Mauern. Rund um den Kirchenbau hatte man das Gelände geräumt und eingeebnet. Überall waren Pflöcke in den Boden geschlagen, die durch Seile miteinander verbunden waren und geometrische Figuren bildeten.
Rings um die Apsis der kleinen Kirche erhoben sich zehn schlanke Säulen von sechzehn Metern Höhe, deren weißer Stein unter den Gerüsten hervorstrahlte, von denen sie umgeben waren.
Die hölzernen Gerüste, die am hinteren Teil der Kirche angebracht waren, wuchsen wie riesige Treppen nach oben. Selbst aus der Ferne musste Arnau den Kopf in den Nacken legen, um das Ende der Gerüste zu sehen, das weit oberhalb der Säulen lag.
»Gehen wir weiter«, drängte Joanet, als er lange genug das gefährliche Hin und Her der Arbeiter auf den Gerüsten beobachtet hatte.
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