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Die Kathedrale des Meeres

Titel: Die Kathedrale des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falcones Ildefonso
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würden Geld für das Weiden verlangen. Wir hätten nichts mehr zu essen!«
    »Wenn du wüsstest, was für Fleisch uns Estranya vorsetzt«, dachte Arnau. Er war versucht gewesen, seinem Vater zu erzählen, woher das Fleisch kam, das in der Suppe schwamm, die sie an den Tagen zu essen bekamen, an denen kein Fasten vorgeschrieben war. Doch als er ihn mit Genuss essen sah und beobachtete, wie sich Graus Sklaven und Arbeiter allesamt auf die Suppe stürzten, riss er sich zusammen, schwieg und aß ebenfalls.
    »Gibt es noch andere Gründe, warum das Heer ins Feld zieht?«, fragte Arnau.
    »Natürlich«, antwortete ihm Ramon. »Jeder Angriff auf die Privilegien Barcelonas oder auf einen Bürger der Stadt kann das Ausrücken des Heeres nach sich ziehen. Wird zum Beispiel ein Einwohner Barcelonas entführt, so zieht das Heer aus, um ihn zu befreien.«
    Unter derlei Gesprächen zogen Arnau und Joanet die Küste entlang – vorbei an Sant Boi, Castelldefels und Garraf –, argwöhnisch beäugt von den Leuten, denen sie begegneten und die schweigend am Straßenrand stehen blieben, während das Bürgerheer vorüberzog. Selbst das Meer schien Respekt vor der Armee Barcelonas zu haben. Sein Rauschen ging in den Schritten der Hunderte von Männern unter, die hinter dem Banner von Sant Jordi marschierten. Die Sonne war den ganzen Tag ihr Begleiter, und als sich das Meer silbern zu färben begann, machten sie halt, um in Sitges zu übernachten. Der Herr von Fonollar empfing die Ratsherren der Stadt in seiner Burg, der Rest des Heeres kampierte vor den Toren der Stadt.
    »Wird es zum Kampf kommen?«, fragte Arnau.
    Alle Bastaixos blickten ihn an. In der Stille war das Knistern des Feuers zu hören. Joanet schlief, den Kopf auf Ramons Oberschenkel. Mehrere Bastaixos sahen sich auf Arnaus Frage hin an. Würde es zum Kampf kommen?
    »Nein«, antwortete Ramon. »Der Grundherr von Creixell hat uns nichts entgegenzusetzen.«
    Arnau wirkte enttäuscht.
    »Vielleicht ja doch«, versuchte ihn ein anderer Zunftmeister von der anderen Seite des Lagerfeuers aus zu trösten. »Vor vielen Jahren, als ich noch ein junger Bursche war, ungefähr in deinem Alter«, Arnau brannte darauf, seine Geschichte zu hören, »wurde das Heer einberufen, um nach Castellbisbal zu ziehen. Der dortige Grundherr hatte eine Herde aufgehalten, so wie jetzt der Herr von Creixell. Der Herr von Castellbisbal lenkte nicht ein und stellte sich dem Heer der Stadt entgegen. Vielleicht glaubte er, die Bürger Barcelonas – Händler, Handwerker oder Bastaixos wie wir – seien nicht in der Lage zu kämpfen. Barcelona stürmte die Burg, nahm den Burgherrn und seine Soldaten gefangen und machte die Festung dem Erdboden gleich.«
    Arnau sah sich bereits mit gezücktem Schwert eine Sturmleiter erklimmen oder siegreich von den Zinnen der Burg von Creixell herabrufen: »Wer wagt es, sich dem Heer von Barcelona entgegenzustellen?« Sämtliche Bastaixos beobachteten den Jungen, der verträumt in die Flammen starrte, während er mit den Händen einen Stock umklammerte, mit dem er zuvor herumgespielt hatte, und wild in der Glut herumstocherte. »Ich, Arnau Estanyol …« Das Gelächter brachte ihn wieder nach Sitges zurück.
    »Leg dich schlafen«, riet ihm Ramon und stand selbst auf, Joanet auf dem Arm. Arnau verzog unwillig das Gesicht. »Du kannst ja vom Krieg träumen«, tröstete ihn ein Bastaix.
    Die Nacht war kühl und jemand gab den beiden Jungen eine Decke.
    Am nächsten Morgen machten sie sich schon früh wieder auf den Weg nach Creixell. Sie kamen durch La Geltrú, Vilanova, Cubelles, Segur und Barà, alles Orte mit eigener Burg. In Barà ließen sie die Küste hinter sich und wandten sich landeinwärts nach Creixell. Der Ort lag eine knappe Meile vom Meer entfernt auf einem Hügel, an dessen höchstem Punkt sich die Burg des Herrn von Creixell erhob, eine Festungsanlage auf einer elfeckigen Steinwehr mit mehreren Verteidigungstürmen, um die sich die Häuser des Dorfes drängten.
    Es waren noch einige Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit. Die Zunftmeister wurden zu den Ratsherren und dem Stadtrichter gerufen. Das Heer von Barcelona nahm in Kampflinie Aufstellung vor Creixell, die Banner stets voran. Arnau und Joanet liefen durch die Reihen und boten den Bastaixos Wasser an, doch fast alle lehnten ab, den Blick fest auf die Burg gerichtet. Niemand sprach, und die Jungen wagten es nicht, das Schweigen zu brechen. Dann kehrten die Zunftmeister zurück und begaben sich zu

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