Die Katze im Taubenschlag
werden ins Allerheiligste geführt, entschied Ann.
Dann überlegte sie sich, dass es wohl nicht schicklich sei, sich über eine so respektable Persönlichkeit wie diese Bulstrode lustig zu machen.
Nimm dich lieber zusammen und mach keine Tippfehler, ermahnte sie sich.
Aber im Allgemeinen arbeitete Ann tadellos und konnte sich ihre Stellungen aussuchen. Sie war sowohl beim Direktor einer Ölgesellschaft wie bei Sir Mervyn Todhunter als Privatsekretärin tätig gewesen, außerdem bei zwei Ministern und bei einem hohen Beamten. Bisher hatte sie allerdings immer für Herren der Schöpfung gearbeitet und fragte sich nun, ob sie sich wohl an eine Umgebung gewöhnen würde, die ausschließlich aus Frauen bestand. Wie dem auch sei, es war einmal eine Abwechslung, und man konnte ja immer auf den treuen Dennis zurückgreifen! Dennis änderte sich nie; ob er aus Burma kam, von den Malaiischen Inseln oder aus irgendeinem anderen Teil der Welt, machte nicht den geringsten Unterschied. Er fragte sie jedes Mal bei seiner Rückkehr, ob sie ihn nicht doch heiraten wolle. Der gute Dennis! Leider wäre es recht langweilig, mit ihm verheiratet zu sein, fand Ann.
In der unmittelbaren Zukunft musste sie jedenfalls auf Herrengesellschaft verzichten, denn bis auf einen achtzigjährigen Gärtner gab es hier nur junge Mädchen und mehr oder weniger vertrocknete Lehrerinnen. Doch in diesem Augenblick erlebte Ann eine angenehme Überraschung. Als sie zum Fenster hinaussah, entdeckte sie einen jungen, gut aussehenden Mann – zweifellos auch ein Gärtner –, der die Hecke bei der Einfahrt stutzte. Er machte nicht den Eindruck eines Bauernburschen, aber heutzutage verdienten sich ja junge Leute aus den verschiedensten Kreisen etwas zusätzlich. Allerdings schien er sich auf seine Arbeit zu verstehen, denn er beschnitt die Hecke schnell und geschickt. Wahrscheinlich war er eben doch ein gewöhnlicher Gärtner.
Eigentlich sieht er sehr nett und lustig aus, dachte Ann…
Erfreulicherweise hatte sie nur noch einen Brief zu schreiben, danach würde sie einen Spaziergang durch den Garten machen…
Miss Johnson, die Hausmutter, war damit beschäftigt, neuen Schülerinnen ihre Zimmer anzuweisen und die alten herzlich zu begrüßen. Sie freute sich, dass die Schule wieder begann, denn während der Ferien wusste sie nicht viel mit ihrer Zeit anzufangen. Sie hatte zwei verheiratete Schwestern, die sie abwechselnd besuchte und die sich begreiflicherweise mehr für ihre eigenen Familien interessierten als für das Leben und Treiben in Meadowbank. Miss Johnson dagegen, obgleich sie pflichtschuldigst an ihren Schwestern hing, interessierte sich ausschließlich für Meadowbank.
»Miss Johnson?«
»Ja, Pamela?«
»Ach, Miss Johnson, in meinem Koffer muss etwas ausgelaufen sein, ich glaube, es ist mein Haarwasser, und jetzt ist alles durchnässt. Was soll ich nur tun?«
»Kein Anlass zur Aufregung, Pamela. Ich komme schon!«
Mademoiselle Blanche, die neue Französischlehrerin, schlenderte über die Rasenfläche hinter dem breiten Kiesweg. Sie betrachtete wohlgefällig den kräftigen jungen Mann, der die Hecke stutzte.
Assez bien, dachte Mademoiselle Blanche.
Mademoiselle Blanche war ein dünnes, nicht sehr bemerkenswertes weibliches Wesen; sie selbst allerdings bemerkte alles.
Sie betrachtete die Prozession der eleganten Wagen, die vor dem Haus vorfuhren. Die meisten Schülerinnen von Meadowbank schienen schwerreiche Eltern zu haben – formidable! Miss Bulstrode musste enorm verdienen!
Miss Rich, die Englisch und Erdkunde lehrte, ging mit schnellen Schritten auf das Haus zu. Hin und wieder stolperte sie, denn wie gewöhnlich achtete sie nicht auf den Weg. Sie hatte ein hässliches, aber intelligentes Gesicht und trug einen unordentlichen Haarknoten.
»Wieder hier zu sein… hier… es ist, als wären Jahre vergangen…« Und mit diesen Worten fiel sie über einen Rechen; der Gärtner streckte seinen Arm aus und sagte: »Vorsicht, Miss!«
»Vielen Dank«, flüsterte Miss Eileen Rich, ohne aufzublicken.
Miss Rowan und Miss Blake, die beiden jungen Hilfslehrerinnen, gingen langsam auf die Turnhalle zu. Miss Rowan war schlank, dunkel und empfindsam, Miss Blake blond und mollig. Sie unterhielten sich angeregt über ihre Ferienabenteuer in Florenz – über die Bilder, die Skulpturen, die herrliche Landschaft sowie über die Aufmerksamkeiten von zwei jungen Italienern.
»Na, man kennt ja die Italiener«, meinte Miss Blake
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