Die Katze im Taubenschlag
hält? Statt dessen sagte sie:
»Machen Sie sich keine Sorgen, Mrs Hope. Eine unserer Damen, Miss Rowan, ist voll ausgebildete Psychologin. Sie werden erstaunt sein, wie gut Henrietta sich unter ihrem Einfluss in kurzer Zeit entwickeln wird.«
»Davon bin ich überzeugt, Miss Bulstrode. Ich weiß, wie sehr sich die kleine Lambeth hier verändert hat – ganz erstaunlich. Nein, ich mache mir ja eigentlich keine Sorgen um Henrietta… übrigens möchten wir sie in sechs Wochen mit nach Südfrankreich nehmen…«
»Tut mir leid, das ist unmöglich«, erklärte Miss Bulstrode höflich, aber entschieden.
»Aber, ich bitte Sie…« Ein ärgerliches Rot breitete sich über Mrs Hopes törichtes Gesicht. »Darauf muss ich leider bestehen, schließlich handelt es sich um mein Kind.«
»Und um meine Schule«, entgegnete Miss Bulstrode.
»Ich habe das Recht, meine Tochter jederzeit aus der Schule zu nehmen. Wollen Sie das vielleicht bestreiten?«
»Durchaus nicht, aber in diesem Fall würde ich mich weigern, sie später wieder aufzunehmen.«
Mrs Hopes Ärger drohte in einen Wutanfall auszuarten.
»Das geht mir denn doch zu weit! Ich bezahle ein enorm hohes Schulgeld, und dafür…«
»Sie bezahlen das bei uns übliche Schulgeld, weil Sie Wert darauf legen, Ihre Tochter zu uns zu schicken, nicht wahr?«, unterbrach Miss Bulstrode sie. »Aber Sie müssen uns so nehmen, wie wir sind; Sie können uns ebenso wenig ändern wie das bezaubernde Balenciaga-Modell, das Sie tragen. Es ist doch Balenciaga? Man findet nur wenige Frauen mit einem so sicheren Geschmack wie Sie, liebe Mrs Hope.«
Miss Bulstrode reichte ihr huldvoll die Hand und geleitete sie zur Tür.
»Machen Sie sich bitte keine Sorgen um Henrietta – oh, hier ist sie ja!« Miss Bulstrode betrachtete Henrietta wohlwollend; sie war ein nettes, intelligentes, ausgeglichenes Mädchen, das eine bessere Mutter verdient hätte. »Bitte bringen Sie Henrietta Hope zu Miss Johnson, Margaret.«
Miss Bulstrode zog sich in ihr Wohnzimmer zurück und empfing kurz darauf weitere Besucher, mit denen sie Französisch sprach.
»Selbstverständlich kann Ihre Nichte Tanzstunden nehmen, Exzellenz. Moderne Gesellschaftstänze und Sprachen gehören unbedingt zu einer umfassenden gesellschaftlichen Erziehung.«
Die Wolke teuren Parfüms, die ihren nächsten Besuchern voranschwebte, nahm Miss Bulstrode fast den Atem.
Sie scheint jeden Tag eine ganze Flasche zu verbrauchen, dachte Miss Bulstrode, während sie die elegante dunkelhäutige Frau begrüßte.
»Enchantée, Madame.«
Madame lächelte liebenswürdig.
Der orientalisch gekleidete Mann mit dem dunklen Vollbart verbeugte sich, ergriff Miss Bulstrodes Hand und sagte in ausgezeichnetem Englisch: »Ich habe die Ehre, Ihnen Prinzessin Shanda vorzustellen.«
Miss Bulstrode war über ihre neue Schülerin, die gerade aus einer Schweizer Schule kam, genau informiert, aber über deren Begleiter war sie sich nicht ganz im Klaren. Sie hielt ihn keinesfalls für den Emir selbst, eher für einen Minister oder einen Diplomaten. Sie benutzte, wie stets im Zweifelsfall, den Titel Exzellenz, während sie ihm versicherte, dass Prinzessin Shanda sich bestimmt bald in Meadowbank einleben und wohlfühlen werde.
Shanda lächelte höflich. Auch sie war elegant gekleidet und parfümiert. Miss Bulstrode wusste, dass sie fünfzehn Jahre alt war, aber sie wirkte älter und reifer, wie die meisten orientalischen Mädchen ihres Alters. Während Miss Bulstrode sich mit ihr über das bevorstehende Semester unterhielt, stellte sie erleichtert fest, dass Shanda fließend Englisch sprach, nicht verlegen kicherte und bessere Manieren hatte als die meisten ihrer englischen Altersgenossinnen. Es wäre keine schlechte Idee, europäische junge Mädchen in den Orient zu schicken, damit sie Höflichkeit und gutes Benehmen lernen, dachte die Schulvorsteherin.
Nachdem beiderseits Komplimente ausgetauscht worden waren, verließen die Besucher das Zimmer. Miss Bulstrode öffnete sofort die Fenster, um die betäubende Duftwolke hinauszulassen.
Als nächste erschienen Mrs Upjohn und ihre Tochter Julia.
Mrs Upjohn war eine sympathische Frau, Ende dreißig, mit sandfarbenem Haar, Sommersprossen und einem unkleidsamen Hut. Sie war offensichtlich nicht daran gewöhnt, Hüte zu tragen, jedoch hielt sie für diese feierliche Gelegenheit eine Kopfbedeckung für angebracht.
Julia war kein besonders hübsches Kind. Auch sie hatte Sommersprossen, eine hohe intelligente Stirn
Weitere Kostenlose Bücher