Die Katze in der Muelltonne
gesprungen.“
„Das schon, aber du hast den Deckel zugeworfen.“
„Mein Gott, er ist mir aus dem Flügel gerutscht. Das kannst du mir nicht anlasten. Ich bin auch nur ein armer alter Rabe.“
„Lass nur. Auch für arme alte Raben finden wir noch Verwendung.“
„Du kleiner Bursche willst mir drohen?“
„Ich sage nur, was passieren wird, wenn meine Herrin von der Sache erfährt.“
„Liebes Kätzchen, ich beobachte dich schon den ganzen Tag. Du hast keine Familie, also auch keine Herrin.“
„Da hast du wohl recht. Wenn du die Leute hier im Ort meinst. Aber ich rede von der Hexe Holunda aus dem tiefen Wald, hinter dem Dorf.“
Der Rabe ist ein Weilchen ruhig.
„Du bist ja ein kleiner Lügenbold. Ich habe wohl von der Hexe Holunda gehört. Aber nie hat die jemand zu Gesicht bekommen.“
„Ich leider schon. Als sie hörte, dass ich keine Mama mehr habe, hat sie mich zu sich geholt, um ihr zu dienen.“
„Du willst Dienerin einer richtigen Hexe sein? Da lachen ja die Hühner. Dann kannst du sicher auch den Deckel hier wegzaubern.“
„Das kann ich nicht. Das Zaubern ist allein Holunda vorbehalten. Aber ich kann ihr ins Ohr flüstern, was für ein gemeines Scheusal du bist. Dann wird sie herkommen und dich holen. Und dann bricht eine schöne Zeit für dich an. Du kannst dann den ganzen Tag auf Holundas linker Schulter sitzen, und ihr beim kochen der Hexensuppe zusehen. Und wenn sie zu viel Krötenpulver hineintut, und die Suppe versaut ist, dann wird Holunda wütend und reißt dir eine Feder aus. Und wenn du es wagst zu schimpfen, dann verwandelt sie dich in einen Stein. Dann darfst du hundert Jahre vor ihrem Haus liegen, und sie stößt jeden Tag mit dem Fuß dagegen und kichert dabei.“
Der Rabe hüstelt. „Wenn ich es recht besinne, dann möchte ich dieses Schicksal lieber meiden. Aber immer noch denke ich, dass du flunkerst, mein kleiner Freund. Das allerdings tust du nicht schlecht. Kannst du denn auch beweisen, was du da sagst?“
„Nun, Holunda hat mir ein kleines Funkgerät mitgegeben, mit dem ich sie erreichen kann. Wenn du willst, dann kann ich es dir beweisen, indem ich sie herrufe.“
Und in dem Moment zwinkere ich der kleinen Maus zu und die beginnt sofort zu piepsen, wie verrückt, genauso, also würde ich die Knöpfe an einem Funkgerät hin und herdrehen. Das klingt so echt, dass ich beinahe lachen muss.
„Halt ein, halt ein“, ruft der Rabe oben.
Die Maus ist sofort still und wir hören, wie der Rabe aufatmet. Dann scharrt er mit den Füßen auf dem Deckel und spricht:
„Sag mir noch, du kleine gerissene Katze, wieso hast du denn Holunda nicht längst gerufen, wenn du über solch ein tolles Funkgerät verfügst.“
„Das ist doch ganz einfach“, sage ich. „Wenn sie sich meinetwegen auf den Weg machen muss, dann wird sie sehr böse. Da kann es sogar passieren, dass sie mich in einen Käfig sperrt, solange bis ich ihr erklärt habe, dass du der eigentlich Schuldige bist. Aber wenn du meinst, kann ich es ja nachholen.“
„Nun lass doch endlich gut sein. Ich glaub dir ja, dass du ein schönes Funkgerät hast. Aber du weißt, dass ich viel zu schwach bin, um den Deckel anzuheben.“
„Das weiß ich wohl. Aber du bist auch sehr gerissen. Dann wirst du dir halt etwas einfallen lassen müssen. Sonst stehst du heute Abend schon in Diensten von Holunda.“
„Um Gottes willen, bloß nicht“, ruft der Rabe und hustet erregt. „Warte hier ein Weilchen, bis mir eine Idee kommt.“
Dann lässt er seinen Blick schweifen und hat auch sofort Toni entdeckt, der ein paar Häuser weiter mit seinem Ball spielt. Und der Rabe macht sich auf den Weg. Er gleitet durch die Luft wie ein Adler auf der Jagd nach Beute. Und im richtigen Moment, als Toni den Ball die Wiese entlang stößt, fliegt der Rabe hinunter und rollt den Ball weiter mit seinem Schnabel in Richtung der großen Mülltonne. Er hechelt vor Anstrengung, und als er an der Tonne angekommen ist, platziert er den Ball direkt daneben, fliegt noch einmal auf den Deckel hinauf und ruft: „So, du kleine Katze. Toni wird gleich hier sein. Schrei, so laut du kannst. Wenn er dich hört, dann wird er den Deckel öffnen und dich sicher herausholen.“
Ausgerechnet Toni, denke ich. Das ist doch der, der das Wurstbrot auf die Wiese wirft, und stattdessen lieber Schokolade isst. Aber man kann sich seinen Retter nicht aussuchen.
„Ok“, rufe ich also und mache mich bereit.
Toni war vor Staunen der Mund offen stehen
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