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Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Titel: Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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Hauptstadt der Fastmenschlichen stolz und pfeilergetragen zwischen Klippen und basaltenen Kaianlagen und wunderbar mit hohen geweihten Stätten und gemeißelten Plätzen. Große Gärten und säulenbegrenzte Straßen führten von den Klippen und von jedem der sechs sphinxgekrönten Tore auf eine gewaltige Zentralplaza, und auf dieser Plaza bewachte ein Paar geflügelter, kolossaler Löwen den Beginn einer subterranen Treppe. Immer wieder waren diese Löwen abgebildet, deren mächtige Flanken aus Diorit im grauen Zwielicht des Tages und in der wolkigen Phosphoreszenz der Nacht glitzerten. Und während Carter an ihren oft wiederholten Bildern vorüberstolperte, begriff er zuletzt, was sie in Wahrheit darstellten und um welche Stadt es sich handelte, in der die Fastmenschlichen so lange Zeiträume vor der Ankunft der schwarzen Galeeren regiert hatten. Ein Irrtum war ausgeschlossen, denn die Legenden des Traumlandes sind generös und verschwenderisch:
    Unzweifelhaft verkörperte diese vorzeitliche Stadt keinen geringeren Ort als das Sagenreiche Sarkomand, dessen Ruinen bereits eine Million Jahre gebleicht hatten, ehe der erste echte Mensch das Licht erblickte, und dessen titanische Zwillingslöwen ewig die Stufen bewachen, die hinab vom Traumland in den Großen Abgrund führen.

    Andere Ansichten präsentierten die hageren, grauen Bergkronen, die Leng von Inquanok abtrennen, sowie die monströsen Shantak-Vögel, die ihre Horste auf halbhoch gelegenen Simsen bauen: Und sie zeigten ebenfalls die merkwürdigen Höhlen. dicht unter den obersten Gipfelzinnen, und wie sogar die kühnsten der Shantaks kreischend vor ihnen davonfliegen. Carter hatte diese Höhlen im Überfliegen gesehen und ihre Ähnlichkeit mit den Höhlen am Ngranek festgestellt. Jetzt wußte er, daß mehr als nur eine rein zufällige Ähnlichkeit vorlag, denn auf jenen Bildern figurierten ihre fürchterlichen Bewohner; und diese Fledermausflügel, gekrümmten Homer, stachelbewehrten Schwänze, Greifklauen und gummiartigen Leiber bedeuteten ihm nichts Unbekanntes. Er hatte diese stummen, flatternden und zupackenden Kreaturen schon getroffen; diese hirnlosen Wächter des Großen Abgrundes, vor denen sich selbst die Großen fürchten, und die nicht Nyarlathotep sondern den eisgrauen Nodens als ihren Herren anerkennen. Denn sie waren die gefürchteten Dunkel-Dürren, die niemals lachen oder lächeln, weil ihnen Gesichter fehlen und die unablässig in der Finsternis zwischen dem Tal von Pnoth und den Zugängen zur Außenwelt durch den Äther torkeln.

    Der schieläugige Kaufmann hatte Carter jetzt in eine große Gruft gestoßen, deren Wände schockierende Basreliefs zierten, und deren Zentrum eine gähnende, kreisrunde Grube einnahm, die ein Ring aus sechs verderblich befleckten Steinaltären umschloß. Es brannte kein Licht in dieser gewaltigen übelriechenden Krypta, und die kleine Lampe des sinistren Kaufmannes leuchtete so matt, daß sich Einzelheiten nur allmählich aus dem Dunkel schälten. Am gegenüberliegenden Ende erhob sich eine hohe steinerne Estrade, zu der fünf Stufen hinaufrührten, und dort saß auf goldenem Thron eine plumpe Gestalt in gelber, rotdurchwirkter Seidenrobe und mit einer gelben Seidenmaske vor dem Gesicht. Diesem Wesen gab der schieläugige Kaufmann gewisse Handzeichen, und der Lauerer im Dunkel antwortete, indem er mit seidenumhüllten Pfoten eine abstoßend geschnitzte Elfenbeinflöte hob und gewisse ekelerregende Töne unter seiner fließenden Maske hervorblies. Dies Gespräch währte eine Zeit lang, und irgend etwas im Klang jener Flöte und in den Ausdünstungen des stinkenden Ortes empfand Carter als abscheulich vertraut. Er mußte an eine entsetzliche, roterleuchtete Stadt denken und an eine empörende Prozession, die einst durch ihre Straßen zog; daran, und an einen schauderhaften Aufstieg durch die dahinterliegende lunare Landschaft, bevor der erlösende Ansturm der freundlichen Katzen von der Erde erfolgte. Er wußte, daß die Kreatur auf der Estrade ohne Zweifel der unbeschreibbare Hohepriester sein mußte, dem die Legende so teuflische und abnormale Möglichkeiten nachwispert, aber er schrak vor dem Gedanken zurück, was jener verabscheuungswürdige Hohepriester sein könnte.

    Dann verschob sich die durchwirkte Seide geringfügig über einer der gräulich-weißen Pfoten, und Carter begriff, was der widerliche Hohepriester war. Und in dieser grausen Sekunde trieb ihn blinde Furcht zu etwas, was ihm seine Vernunft würde

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