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Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Titel: Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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verweigert haben, denn sein angegriffenes Gemüt war nur von dem einen einzigen Gedanken erfüllt, dem zu entkommen, was auf jenem goldenen Thron hockte. Er wußte, daß sich zwischen ihm und dem Tafelland draußen hoffnungslose Steinlabyrinthe wanden, und daß selbst auf dem Tafelland noch immer der verderbliche Shantak wartete; trotz alledem beherrschte seinen Geist nur das eine drängende Bedürfnis, von dieser sich schlangelnden, in Seide gehüllten Monstrosität fortzukommen.
    Der Schieläugige hatte die seltsame Lampe auf einem der hohen und lasterhaft befleckten Altarsteine an der Grube abgestellt, und sich ein wenig nach vorn begeben, um dem Hohepriester Handzeichen zu machen. Carter, bisher völlig passiv, versetzte jetzt dem Mann mit der ganzen, wilden Kraft der Angst einen so gewaltigen Stoß, daß das Opfer sofort in den gähnenden Schlund stürzte, der Gerüchten nach bis in die höllischen Gewölbe von Zin hinabreichen soll, wo Gugs im Finstern Ghasts jagen. Fast gleichzeitig riß er die Lampe vom Altar und schoß hinaus in das Freskenlabyrinth; er rannte bald hierhin, bald dorthin, wie es der Zufall bestimmte, und versuchte weder an das verstohlene Watscheln formloser Pfoten auf den Steinen hinter sich, noch an das Geringel und Gekrauche in zurückliegenden, lichtlosen Korridoren zu denken.

    Schon nach wenigen Augenblicken bereute er seine unbedachte Hast, und wünschte, er hätte versucht, die Fresken zurückzuverfolgen, die er auf dem Hinweg passiert hatte. Gewiß, sie waren so konfus und derart häufig doppelt vorhanden gewesen, daß sie ihm keine große Hilfe bedeutet hätten, nichtsdestoweniger bedauerte er den verabsäumten Versuch. Diejenigen Fresken, die er jetzt erblickte, wirkten sogar noch entsetzlicher als jene, die er zuerst sah, und er wußte, daß er sich nicht in den Korridoren befand, die hinausführten. Mit der Zeit glaubte er sich vor Verfolgung ziemlich sicher und verlangsamte seinen Schritt; doch kaum hatte er halbwegs erleichtert aufgeatmet, da drohte ihm neuerliche Gefahr. Seine Lampe erlosch allmählich, und bald würde er im Pechschwarzen stehen, blind und orientierungslos.

    Als das Licht vollends ausging, tastete er sich langsam durch die Finsternis und flehte die Großen um jede Hilfe an, die sie ihm nur gewähren mochten.

    Manchmal fühlte er den Steinboden ansteigen oder abfallen, und wann immer es ihm gelang, eine Abzweigung oder die Einmündung eines Seitenganges zu erfühlen, wählte er stets den Weg mit dem geringeren Gefälle. Er argwöhnte trotzdem, daß er sich im wesentlichen abwärts bewegte; und der gruftartige Geruch und die Verkrustungen auf den schmierigen Wänden und am Boden kündigten ihm gleichviel an, daß er sich tief in Lengs heilloses Tafelland eingrub. Doch eine Ankündigung der Sache, die zuletzt erfolgte, kam nicht; nur die Sache selbst, mit all ihrem Schrecken und Grausen und atemraubenden Chaos. Eben noch tastete er sich behutsam über den glitschigen Boden eines fast flachen Platzes, und im nächsten Augenblick raste er schon schwindelig im Dunkel eine Höhlung hinab, die schier senkrecht gewesen sein mußte.

    Über die Dauer dieses gräßlichen Rutsches erlangte er nie Klarheit, er schien jedoch Stunden irrsinniger Übelkeit und ekstatischen Wahnsinns zu währen.

    Dann merkte er, daß er still ruhte und die phosphoreszierenden Wolken einer nördlichen Nacht ihren kränklichen Schein über ihn gössen. Ringsum verfielen bröckelige Mauern und geborstene Säulen, und das Pflaster, auf dem er lag, war mit vereinzelten Grashalmen durchsetzt und von zahlreichen Sträuchern und Wurzeln aufgebrochen. Hinter ihm ragte ein Basaltkliff unermeßlich hoch und lotrecht auf; seine Flanke wies außer abstoßenden, skulpturartigen Darstellungen noch einen bogenförmigen und gemeißelten Eingang in die innere Schwärze auf, aus der er gekommen war. Voraus erstreckten sich Doppelreihen aus Pfeilern und die Fragmente und Piedestale von Säulen, die von einer breiten und entschwundenen Straße zeugten; und die Urnen und Bassins entlang des Weges verrieten ihm, daß es eine prächtige Gartenstraße gewesen war. An ihrem weitentfernten Ende schwärmten die Säulen aus, um einen gewaltigen Rundplatz zu markieren, und in diesem offenen Zirkel trat unter den totenbleichen Nachtwolken gigantisch ein Paar monströser Wesen hervor. Riesige geflügelte Löwen aus Diorit waren es, mit Schwärze und Schatten zwischen sich. Volle zwanzig Fuß hoch reckten sie ihre

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