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Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Titel: Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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nicht gelingen wollte, diese Gaben in Dingen zu entdecken, deren Gesetze bekannt und meßbar sind, da sagten sie, es mangele ihm an Imagination und Reife, weil er Traumillusionen den Illusionen unserer physikalischen Schöpfung vorzog.

    Deshalb hatte Carter versucht, es so wie andere zu halten und vorgegeben, daß die alltäglichen Begebenheiten und Gefühle irdischer Gemüter bedeutsamer wären als die Phantasien rarer und delikater Seelen. Er hatte nicht widersprochen, als sie ihm sagten, daß die realen Schmerzempfindungen eines abgestochenen Schweins oder eines dyspeptischen Pflügers etwas Großartigeres seien, als die unvergleichliche Schönheit von Narath mit seinen hundert gemeißelten Toren und Kuppeln aus Chaicedon, an die er sich aus seinen Träumen noch schwach erinnerte; und unter ihrer Anleitung kultivierte er ein gewissenhaftes Gespür für Mitleid und Tragödie.

    Von Zeit zu Zeit konnte er sich dennoch nicht der Einsicht verschließen, wie schal, wankelmütig und bedeutungslos alles menschliche Trachten ist, und wie ärmlich sich unser reales Tun gegen jene pompösen Ideale ausnimmt, die wir angeblich verfolgen. Für gewöhnlich nahm er seine Zuflucht dann zu dem höflichen Lachen, womit sie ihn gelehrt hatten, der Extravaganz und Künstlichkeit der Träume zu begegnen; denn er merkte, daß das Alltagsleben unserer Welt um keinen Deut weniger extravagant und künstlich ist, und in seiner Schönheitsarmut und dem dummen Widerstreben, den eigenen Mangel an Sinn und Zweck einzugestehen, weitaus weniger respektabel. Auf diese Weise wurde er eine Art Humorist, denn er sah nicht, daß in einem geistlosen, von jedem echten Maßstab für Bestand oder Unbestand entleerten Universum sogar der Humor nichtig ist.

    In den ersten Tagen seiner Knechtschaft hatte er sich dem milden kirchlichen Glauben zugewandt, den ihm das naive Vertrauen seiner Väter liebmachte, denn dort dehnten sich mystische Alleen, die eine Flucht aus dem Leben zu versprechen schienen. Erst bei näherem Hinsehen bemerkte er die verhungerte Schönheit und Phantasie, die stumpfe und prosaische Abgedroschenheit, den eulenhaften Ernst und die geradezu grotesken Ansprüche, die alleinige Wahrheit zu besitzen, die verdrießlich und überwältigend unter den meisten seiner Verkünder herrschten; und erst bei näherem Hinsehen empfand er die völlige Abgeschmacktheit des Versuchs, die überkommenen Ängste und Mutmaßungen eines frühen Menschengeschlechts, das dem Unbekannten gegenübertrat, als buchstäbliche Tatsache weiter lebendig zu halten. Die feierlichen Bemühungen der Leute, alte Mythen, die ihre hochgerühmte Wissenschaft tagtäglich widerlegte, zu irdischer Realität zu machen, quälten Carter, und diese unangebrachte Ernsthaftigkeit tötete die Zuneigung, die er für die alten Konfessionen vielleicht bewahrt haben würde, hätten sie sich damit zufriedengegeben, die sonoren Riten und Gefühlsergießungen in ihrem wahren Gewand der ätherischen Phantasie anzubieten.

    Doch als er sich mit jenen beschäftigte, die die alten Mythen abgeworfen hatten, da fand er sie noch häßlicher als jene, die es nicht getan hatten. Sie wußten nicht, daß Schönheit von Harmonie abhängt und daß in einem zwecklosen Kosmos die Lieblichkeit des Lebens keinen anderen Pfeiler besitzt, als die Harmonie mit den voraufgegangenen Träumen und Gefühlen, die unsere kleinen Sphären blind aus dem übrigen Chaos schufen. Sie erkannten nicht, daß Gut und Böse, Schönheit und Häßlichkeit nur Zierfrüchte der Perspektive sind, deren einziger Wert in ihrer Verbindung zu dem besteht, was der Zufall unsere Väter denken und fühlen ließ, und deren feinere Einzelheiten von Rasse zu Rasse und Kultur zu Kultur verschieden sind. Stattdessen bestritten sie diese Dinge entweder restlos oder übertrugen sie auf die kruden, vagen Instinkte, die sie mit den Tieren und Bauern teilten; so daß sich ihr Dasein in Schmerz, Häßlichkeit und Unförmigkeit stinkend dahinschleppte, sie aber dennoch der lächerliche Stolz erfüllte, etwas entkommen zu sein, was nicht ungesünder war, als das, was sie noch immer gefangenhielt. Sie hatten die falschen Götter der Furcht und blinden Frömmigkeit mit denen der Zügellosigkeit und Anarchie vertauscht.

    Carter kostete von diesen modernen Freiheiten nur zaghaft, denn ihre Wohlfeilheit und ihr Unflat ekelten einen Geist, der allein das Schöne liebte, während sein Verstand gegen die fadenscheinige Logik rebellierte, durch die ihre

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