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Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Titel: Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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Leben ausgesaugt hatten.

    Erst dann pflegte er die Kunst der vorsätzlichen Illusion und behängte sich, um ein Gegenmittel gegen die Alltäglichkeit zu gewinnen, mit den Ideen des Bizarren und Exzentrischen. Die Mehrzahl davon offenbarte jedoch bald ihre Armut und Schäbigkeit; und er stellte fest, daß die populären Doktrinen des Okkultismus genauso trocken und unflexibel sind, wie jene der Wissenschaft, und nicht einmal das Palliativ der Wahrheit besitzen, um sie erträglich zu machen. Grobe Dummheit, Unredlichkeit und verworrenes Denken haben mit dem Traum nichts gemein und bieten einem über ihr Niveau hinausgebildeten Geist keinen Fluchtweg aus dem Leben. Deshalb kaufte Carter seltsamere Bücher und suchte abgründigere und schrecklichere Männer von phantastischer Gelehrsamkeit auf; er grub sich in verborgene Winkel des Bewußtseins ein, von denen nur wenige Kenntnis haben, und er erfuhr viele Dinge über die geheimen Abgründe des Lebens, der Legenden und der unsterblichen Vorzeit, die seither nie aufhörten ihn zu beunruhigen.

    Er beschloß, sein Leben ungewöhnlicher zu gestalten und stellte die Einrichtung seines Bostoner Hauses auf seine wechselnden Stimmungen ab; für jede ein extra Raum in angemessenen Farben tapeziert, mit passenden Büchern und Gegenständen ausgestattet und mit den Quellen für die entsprechenden Licht-, Wärme-, Klang-, Geschmackund Geruchsempfindungen versehen.

    Ein andermal erfuhr er von einem gewissen Mann im Süden, der wegen der blasphemischen Dinge, die er in prähistorischen Büchern und auf aus Indien und Arabien eingeschmuggelten Tontäfelchen las, gemieden und gefürchtet wurde. Diesen Mann suchte er auf, lebte mit ihm und teilte sieben Jahre seine Studien, bis sie eines Mitternachts auf einem unbekannten und archaischen Friedhof das Grauen überfiel, und nur einer von beiden das Gräberfeld wieder verließ. Dann kehrte er nach Arkham, der verhexten, alten Stadt seiner Vorväter in New England zurück, und zwischen den schimmeligen Weiden und schwankenden Walmdächern machte er Erfahrungen in der Finsternis, die ihn gewisse Seiten im Tagebuch eines wirrköpfigen Ahnen auf immer versiegeln ließen. Doch diese Schrecken brachten ihn nur bis an den Rand der Realität und gehörten nicht zu dem echten Traumland, das er in seiner Jugend gekannt hatte; so begrub er im Alter von fünfzig Jahren die Hoffnung auf Ruhe und Zufriedenheit in einer Welt, die für Schönheit zu geschäftig und für Träume zu arglistig geworden war.

    Als er die Heuchelei und Nichtigkeit der realen Welt erfahren hatte, verbrachte Carter sein Leben in Zurückgezogenheit und mit sehnsuchtsvollen, unzusammenhängenden Erinnerungen an seine traumreiche Jugend. Es schien ihm unsinnig, daß er überhaupt noch weiterleben sollte, und er besorgte sich über einen südamerikanischen Bekannten eine sehr merkwürdige Flüssigkeit, die ihn schmerzlos ins Vergessen befördern sollte. Trägheit und die Macht der Gewohnheit ließen ihn die Sache jedoch aufschieben; und er weilte unentschlossen unter den Gedanken aus alten Tagen, nahm die seltsamen Tapeten von den Wänden und richtete das Haus wieder so her, wie es in seiner frühen Kindheit ausgesehen hatte mit Purpurscheiben, viktorianischem Mobiliar und allem was dazugehörte.

    Mit der Zeit freute er sich beinahe, gezögert zu haben, denn die Relikte aus seiner Jugend und seine Trennung von der Welt ließen das Leben und seine Sophisterei sehr fern und unwirklich erscheinen; so sehr, daß sich ein Hauch von Magie und hoffnungsvoller Erwartung in seinen nächtlichen Schlaf zurückstahl. Jahrelang hatte dieser Schlaf nur jene verdrehten Spiegelungen alltäglicher Dinge gebracht, wie sie in den allergewöhnlichsten Träumen figurieren, doch jetzt flackerte darin wieder etwas Seltsameres und Wilderes auf; etwas, das undeutlich und ehrfurchtgebietend bevorstand und die Gestalt scharfer, klarer Bilder aus seiner Kinderzeit annahm, und ihn an kleine, widersinnige Dinge denken machte, die er längst vergessen hatte. Er erwachte oft davon, daß er nach seiner Mutter oder seinem Großvater rief, die beide seit einem Vierteljahrhundert in ihren Gräbern ruhten.

    Dann erinnerte ihn sein Großvater eines Nachts an den Schlüssel. Der graue, alte Gelehrte, munter wie zu Lebzeiten, sprach lange und eindringlich von ihrem alten Geschlecht und von den sonderbaren Visionen der delikaten und sensitiven Männer, die es bestimmten. Er sprach von dem flammäugigen Kreuzfahrer, der

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