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Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Titel: Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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Arkham sind voll von unheimlicher Magie von etwas, das vielleicht der alte Hexenmeister Edmund Carter von den Sternen herabrief oder aus den Krypten der innersten Erde heraufbeschwor, als er 1692 aus Salem dorthin floh. Sobald Carter wieder in diesen Bergen war, wußte er, daß er sich nahe bei einem der Tore aufhielt, die ein paar wenige tollkühne, verabscheute und fremdartig beseelte Männer durch titanische Mauern zwischen der Welt und dem außerhalb liegenden Absoluten gebrochen haben. Hier, und an diesem Tag des Jahres, das fühlte er, konnte er die Botschaft erfolgreich ausführen, die er vor Monaten aus den Arabesken des angelaufenen und unglaublich alten Schlüssels entziffert hatte. Er wußte jetzt, wie er gedreht und gegen die sinkende Sonne gehalten werden mußte, und welche zeremoniellen Silben bei der neunten und letzten Drehung in die Leere hinein zu intonieren waren. An einem Ort, der wie dieser hier einer dunklen Polarität und einem induzierten Tor so nahe lag, konnte der Schlüssel in seinen ursprünglichen Funktionen nicht versagen. Gewiß, diese Nacht noch würde er in der verlorenen Kindheit ausruhen, um die er nie aufgehört hatte zu trauern.

    Mit dem Silberschlüssel in der Tasche stieg er aus dem Wagen und schritt bergauf, immer tiefer hinein in das schattige Herz jener brütenden, heimgesuchten Landschaft mit der krummen Straße, der efeuüberrankten Steinmauer, der schwarzen Waldung, dem knorrigen, verwilderten Obstgarten, dem aus Fensterhöhlen starrenden, verödeten Farmhaus und der namenlosen Ruine. Zur Stunde des Sonnenuntergang, als die fernen Turmspitzen von Kingsport im rötlichen Schein aufflammten, zog er den Schlüssel hervor und verrichtete die erforderlichen Drehungen und Intonationen. Erst später merkte er, wie schnell das Ritual gewirkt hatte.

    Dann hatte er im wachsenden Zwielicht eine Stimme aus der Vergangenheit gehört: Old Benijah Corey, der Dienstbote seines Großonkels. War der alte Benijah nicht schon vor dreißig Jahren gestorben? Dreißig Jahre vor wann?

    Was war Zeit? Wo war er gewesen? Was war daran merkwürdig, daß Benijah an diesem siebten Oktober 1883 nach ihm rief? War er nicht länger draußen geblieben, als es ihm Tante Martha erlaubt hatte? Was machte der Schlüssel da in seiner Jackentasche, wo doch eigentlich das Teleskop sein sollte, das ihm sein Vater vor zwei Monaten zum neunten Geburtstag geschenkt hatte? Würde er den mystischen Pylon aufschließen, den seine scharfen Augen zwischen den zerrissenen Felsen an der Rückseite der inneren Höhle hinter der Schlangengrube im Hang entdeckt hatten? Das war doch der Ort, den sie immer mit dem alten Zauberer Edmund Carter in Verbindung brachten. Die Leute trauten sich dort nicht hin, und niemand außer ihm war der von Wurzeln zugewachsene Spalt aufgefallen, und nur er hatte sich hindurchgezwängt, in die große, schwarze innere Kammer mit dem Pylon. Wessen Hände hatten diese Andeutung eines Pylons aus dem baren Fels gemeißelt? Die des alten Zauberers Edmund oder die von Anderen, die er heraufbeschworen und denen er geboten hatte?Am Ende dieses Tages aß der kleine Randolph mit Onkel Chris und Tante Martha in dem alten Farmhaus unter dem Walmdach zu Abend.

    Den nächsten Morgen stand er zeitig auf und machte sich unter den ineinanderverschränkten Apfelbaumzweigen des Obstgartens hindurch zu dem höher gelegenen Waldstück auf, wo der Eingang der Schlangengrube zwischen grotesken, aufgedunsenen Eichen schwarz und abstoßend lauerte.

    Eine namenlose Erwartung überkam ihn, und er merkte nicht einmal, wie er sein Taschentuch verlor, als er in seiner Jackentasche nach dem wunderlichen Silberschlüssel kramte. Mit fester und abenteuerlicher Zuversicht kroch er durch die dunkle Öffnung und erleuchtete sich den Weg mit Streichhölzern, die er aus dem Wohnzimmer mitgenommen hatte. Im nächsten Moment hatte er sich durch den mit Wurzeln verstopften Riß am jenseitigen Ende gezwängt und stand in der weiten, unbekannten inneren Grotte, deren hinterste Felswand fast einem monströsen, bewußt gestalteten Pylon glich. Vor dieser feuchten, tropfenden Wand blieb er stumm und ehrfürchtig stehen, während er ein Streichholz nach dem anderen abbrannte.

    War diese steinige Ausbuchtung über dem Schlußstein des imaginären Bogens wirklich die gigantische Skulptur einer Hand? Dann zog er den Silberschlüssel hervor und verrichtete Bewegungen und Intonationen, an deren Herkunft er sich nur schwach erinnern konnte.

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