Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen
die Gruft jenes alten Friedhofs hinabstieg doch weder er noch das Buch gelangten je wieder an die Oberfläche. Vor geraumer Zeit schickte ich unserem Freund hier Swami Chandraputra eine Gedächtnisskizze von einigen dieser Buchstaben und gleichfalls eine Lichtpause des Carter-schen Pergaments. Er glaubt nun, nach gewissen Befragungen und Konsultationen, in der Lage zu sein, Licht in die Sache zu bringen.
Nun zum Schlüssel davon sandte mir Carter eine Photographie zu. Seine wunderlichen Arabesken waren keine Buchstaben, scheinen aber demselben Kulturkreis zu entstammen, wie das Pergament. Carter sprach laufend davon, kurz vor des Rätsels Lösung zu stehen, obwohl er nie über Einzelheiten berichtete. Einmal geriet er über die ganze Angelegenheit fast ins Schwärmen. Dieser antike Silberschlüssel, sagte er, würde die aufeinanderfolgenden Türen aufsperren, die unseren freien Zugang durch die mächtigen Korridore von Zeit und Raum hin zu jener letzten Grenze behindern, welche kein Mensch überschritten habe, seit Shaddad mit seinem entsetzlichen Genie im Sand von Arabia Peträa die ungeheueren Dome und zahllosen Minarette des tausendsäuligen Irem erbaute und verbarg.
Halbverhungerte Derwische schrieb Carter und vom Durst in den Wahnsinn getriebene Nomaden seien zurückgekehrt, um von jenem monumentalen Portal zu berichten und von der Hand, die über dem Schlußstein des Bogens gemeißelt wäre, doch niemand sei hindurchgeschritten und denselben Weg wieder zurückgegangen, um zu erzählen, daß seine Fußspuren auf dem granatbestreuten Sand jenseits von seinem Besuch zeugten. Der Schlüssel, so vermutete er, wäre derjenige, nach dem die zyklopische Hand vergeblich fasse.
Warum Carter nur den Schlüssel und nicht auch das Pergament mitnahm, entzieht sich unserer Kenntnis. Vielleicht vergaß er es -oder vielleicht ließ er es zurück, weil er sich an jemand erinnerte, der ein Buch voll ähnlicher Schriftzeichen mit in eine Gruft nahm und nie zurückkam. Oder vielleicht war es für sein Vorhaben wirklich unwesentlich.«
Als de Marigny innehielt, meldete sich der alte Mr. Phillips mit mißtönender, schriller Stimme.
»Wir können von Randolph Carters Wanderung nur das wissen, was wir träumen. In Träumen weilte ich an vielen sonderbaren Stätten und habe in Ulthar, jenseits des Flusses Skai viele seltsame und wichtige Dinge erfahren.
Es hat nicht den Anschein, als sei das Pergament vonnöten gewesen, denn Carter hat die Welt seiner Kindheitsträume gewiß wieder betreten und ist jetzt König in Ilek-Vad.«
Mr. Aspinwall gewann ein doppelt apoplektisches Aussehen, als er hervorsprudelte: »Kann denn keiner dafür sorgen, daß der alte Narr den Mund hält. Diese Mondsüchteleien kennen wir wahrlich zur Genüge. Jetzt geht es darum, den Besitz aufzuteilen, und es wird Zeit, daß wir damit anfangen.«
Zum erstenmal sprach jetzt Swami Chandraputra mit seiner sonderbar fremden Stimme.
»Gentlemen, an dieser Sache ist mehr, als Sie glauben. Mr.Aspinwall tut nicht gut daran, die Evidenz der Träume zu belächeln. Mr. Phillips hat ein unvollständiges Bild erhalten -vielleicht weil er nicht genug geträumt hat.
Was mich selbst angeht, so habe ich viel geträumt. Wir Inder haben das von jeher getan, was wohl auch für alle Carters gilt. Sie, Mr. Aspinwall, sind als Cousin mütterlicherseits natürlich kein Carter. Meine eigenen Träume und gewisse andere Informationsquellen haben mir viel von dem enthüllt, was Ihnen noch obskur erscheint. Ein Beispiel, Randolph Carter vergaß das Pergament, das er nicht entziffern konnte dennoch wäre es gut für ihn gewesen, er hätte daran gedacht, es mitzunehmen. Wie Sie sehen werden, habe ich wahrhaftig recht viel darüber in Erfahrung gebracht, was mit Carter geschah, nachdem er bei Sonnenuntergang mit dem Silberschlüssel aus seinem Wagen stieg, an jenem siebten Oktober vor vier Jahren.«
Aspinwall rümpfte merklich die Nase, doch die übrigen richteten sich gespannt auf. Der Rauch aus den Dreifüßen verdichtete sich , und das verrückte Ticken jener sargförmigen Uhr schien in die bizarren Muster von Punkten und Strichen einer fremden und unauflösbaren telegraphischen Botschaft aus dem All zu fallen. Der Hindu lehnte sich zurück, schloß die Augen halb und fuhr in jener eigentümlich angestrengten und doch flüssigen Sprache fort, währenddem seinen Zuhörern ein Bild von dem vorzuschweben begann, was mit Randolph Carter geschehen war.
II
Die Berge hinter
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