Die Katzen von Ulthar
bringen, und darzutun, mit welcher Dreistigkeit die Suche nach dem unbekannten Kadath unternommen worden war. Leng und die kalte Wüste nördlich von Inquanok mußten sich in der Nähe der Großen befinden, und dort sind die Pässe zum Kadath wohl bewacht.
Der Schieläugige war kleinwüchsig, aber der große hippocephalische Vogel sorgte dafür, daß er Gehorsam fand; so folgte ihm Carter wohin er vorausging, und betrat den Kreis aufgerichteter Steine und den niedriggewölbten Torweg jenes fensterlosen Steinmonasteriums. Im Innern brannte kein Licht, doch der 64
schlimme Kaufmann entzündete eine kleine Tonlampe mit morbiden Basreliefs, und trieb seinen Gefangenen unsanft vorwärts, durch Irrgärten enger, sich windender Korridore. An die Wände waren fürchterliche Szenen gemalt, älter als die Geschichte und in einem den Archäologen der Erde unbekannten Stil.
Nach ungezählten Äonen leuchteten ihre Pigmente noch immer, denn die Kälte und Trockenheit des gräßlichen Leng bewahrt viele vorzeitliche Dinge. Carter nahm sie flüchtig im schummerigen Licht der schwankenden Lampe wahr und erschauerte bei der Geschichte, die sie erzählten.
Durch diese Fresken schritten Lengs Annalen; und die gehörnten, behuften und weitmäuligen Fastmenschlichen tanzten schädlich inmitten vergessener Städte.
Es gab Szenen aus alten Kriegen, in denen Lengs Fastmenschlichen gegen die aufgedunsenen Purpurspinnen der angrenzenden Täler fochten; und es gab Szenen von der Ankunft der schwarzen Galeeren vom Mond und der freiwilligen Unterwerfung von Lengs Bewohnern unter die polypenartigen und amorphen Blasphemien, die aus den Schiffsbäuchen hervorhoppsten und zappelten und krabbelten. Sie verehrten diese glitschigen, gräulich−weißen Blasphemien als Götter, und beklagten sich auch nie, wenn die besten und fettesten ihrer Männer in den schwarzen Galeeren fortgeschafft wurden. Die monströsen Mondbestien errichteten ihren Stützpunkt auf einer zerklüfteten Insel im Meer, und Carter konnte den Fresken entnehmen, daß es sich dabei um nichts anderes handelte, als das namenlose Felseneiland, das er auf seiner Überfahrt nach Inquanok gesehen hatte; jener graue, verfluchte Fels, den Inquanoks Seefahrer meiden, und von dem ein abscheuliches Geheul durch die Nacht hallt.
Und diese Fresken zeigten auch den großen Seehafen und die Hauptstadt der Fastmenschlichen stolz und pfeilergetragen zwischen Klippen und basaltenen Kaianlagen und wunderbar mit hohen geweihten Stätten und gemeißelten Plätzen. Große Gärten und säulenbegrenzte Straßen führten von den Klippen und von jedem der sechs sphinxgekrönten Tore auf eine gewaltige Zentralplaza, und auf dieser Plaza bewachte ein Paar geflügelter, kolossaler Löwen den Beginn einer subterranen Treppe. Immer wieder waren diese Löwen abgebildet, deren mächtige Flanken aus Diorit im grauen Zwielicht des Tages und in der wolkigen Phosphoreszenz der Nacht glitzerten. Und während Carter an ihren oft wiederholten Bildern vorüberstolperte, begriff er zuletzt, was sie in Wahrheit darstellten und um welche Stadt es sich handelte, in der die Fastmenschlichen so lange Zeiträume vor der Ankunft der schwarzen Galeeren regiert hatten. Ein Irrtum war ausgeschlossen, denn die Legenden des Traumlandes sind generös und verschwenderisch: Unzweifelhaft verkörperte diese vorzeitliche Stadt keinen geringeren Ort als das Sagenreiche Sarkomand, dessen Ruinen bereits eine Million Jahre gebleicht hatten, ehe der erste echte Mensch das Licht erblickte, und dessen titanische Zwillingslöwen ewig die Stufen bewachen, die hinab vom Traumland in den Großen Abgrund führen.
Andere Ansichten präsentierten die hageren, grauen Bergkro nen, die Leng von Inquanok abtrennen, sowie die monströsen Shantak−Vögel, die ihre Horste auf halbhoch gelegenen Simsen bauen: Und sie zeigten 65
ebenfalls die merkwürdigen Höhlen. dicht unter den obersten Gipfelzinnen, und wie sogar die kühnsten der Shantaks kreischend vor ihnen davonfliegen. Carter hatte diese Höhlen im Überfliegen gesehen und ihre Ähnlichkeit mit den Höhlen am Ngranek festgestellt. Jetzt wußte er, daß mehr als nur eine rein zufällige Ähnlichkeit vorlag, denn auf jenen Bildern figurierten ihre fürchterlichen Bewohner; und diese Fledermausflügel, gekrümmten Homer, stachelbewehrten Schwänze, Greifklauen und gummiartigen Leiber bedeuteten ihm nichts Unbekanntes. Er hatte diese stummen, flatternden und zupackenden Kreaturen schon getroffen;
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