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Die keltische Schwester

Die keltische Schwester

Titel: Die keltische Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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vermutlich der Armreif aus der Höhle gerollt.
    »Danu!«, flüsterte Robert und sah auf das Lager.
    »Ja, Danu. Traumschwester.«
    Ich weiß nicht wie lange, aber wir waren sehr schweigsam. Durch die Berührung mit der Vergangenheit, von der wir alle mehr oder weniger stark betroffen waren, machte sich eine stille Ehrfurcht breit.
    Draußen rauschte das Meer, die Flut war gekommen. Sonnenstrahlen krochen langsam an den Rand des Eingangs, der bislang im Schatten gelegen hatte. Ihr Licht ergoss sich in die Höhle, und ein Strahl fing sich auf dem schimmernden Rund einer dünnen Goldscheibe.
    Sie mochte tellergroß sein, und sie war über und über mit einem Muster bedeckt. Vorsichtig kniete ich mich nieder, um sie zu betrachten.
    Schmale Linien, breite Linien. Verschlungene Muster, Knoten, Spiralen, ein Gewebe von dünnen und dicken Fäden, sich kreuzend, sich windend. Vor meinen Augen verschwanden sie in der Tiefe des Raumes, kehrten zurück, aufsteigend, absteigend, verknüpften mit anderen Linien. Nicht starr, sondernbeweglich, schwingend, sich ändernd, sich lösend, sich neu begegnend, nie gleich, doch immer ähnlich. Ein gewaltiges, vieldimensionales Netzwerk, in dem ich nur ein Fädchen war, das seinen Weg von einem Anfang aus dem Irgendwo nahm, das sich verschlungen durch das Geflecht bewegte, suchend, um nach irgendwo zu kommen.
    Ich stand auf und hielt noch immer die Scheibe in der Hand.
    »Das Muster – es ist wie das Gewebe der Welt. Wie dumm wir sind! Immer versuchen wir, nach den Ursachen und Gründen zu suchen. Nach den kleinsten, unteilbaren, letzten Einheiten. Und vergessen darüber, dass alles zusammenhängt. Nichts ist unwichtig, nichts ist ohne Einfluss. Der Schmetterling nicht, der über der Blume schwebt, der Baum nicht, dessen Wurzeln das Erdreich durchdringen, die lebenden Wesen nicht, auch nicht die bereits Gestorbenen, noch die Ungeborenen. Gleich ob Mensch oder Tier. Irgendwann und irgendwo treffen sich alle Fäden dieses Netzes, kreuzen sich, finden sich, lösen sich wieder.
    Dies ist das Netz des Lebens.«
    Teresa berührte mich sacht am Arm: »Lindis, das ist die Bedeutung, nicht wahr?«
    »Ja, das ist die Bedeutung.«
    Auch die anderen sahen auf die Scheibe in meiner Hand.
    Und das Meer rauschte. Staub tanzte in dem dünnen Sonnenstrahl, der vom Eingang kam.
    Danu stand dort. Nicht die alte, weißhaarige, sondern eine junge, schöne Danu in einem weißen Gewand, mit langen blonden Haaren, die in Wellen über ihren Rücken flossen. Sie hob die Hände in einer anmutigen Bewegung hoch über ihren Kopf und sang:

    »Höre!
    Ich bin.
    Ich bin die Erde, das Land, der feste Grund.
    Ich bin der Berg, das Tal, der Höhle Schlund.

    Ich bin die Lava, die Glut, die flüssigen Steine,
    die Asche aus flammendem Berge.
    Ich bin der Quarz, Diamant, das schimmernde Gold,
    das ich im Innern verberge.

    Ich bin die Erde, der Boden, der Halt,
    Ich bin der Acker, die Wiese, der Wald.

    Ich bin die Wüste, die Steppe, verödetes Land,
    trocken und staubig und leer.
    Ich bin das Geröll, der Kiesel, der feine Sand,
    Gestein, zermahlen im Meer.

    Ich bin die Erde, der Staub, das Gestein.
    Ich bin der Lehm, der Fels, das Gebein.

    Ich bin der Humus, der Moder, der schwarze Schleim,
    zerbreche der Samen Hülle.
    Ich bin das Keimen, das Blühen und der Zerfall,
    ich berge des Wachstums Fülle.

    Ich flechte der Wurzeln Gewebe, ich spinne der Erzadern Netz.
    Der Bäume Geäst ich webe und im Kristall das Gitternetz.

    Ich bin der Schoß, der Tod, das Leben.
    Ich bin das Netz, an dem wir weben.
    Ich bin Grund, dass alles werde.
    Ich bin die Erde.
    Ich bin.
    Höre!«

    Der Sonnenstrahl war weitergewandert, und nichts blieb als das stille Grab.
    Wir verließen die Höhle, den Torques und die goldene Scheibe nahmen wir mit.

8. Faden, letzter Knoten
    Der Dämon war verärgert. Den ganzen Morgen hatte sich eine grässliche Unruhe in seinem Revier ausgebreitet. Angefangen von dem Krach in den frühen Stunden, der genau den Vogel aufscheuchte, den er so geduldig belauert hatte, bis hin zu den vielen Autos, den Sirenen, den fremden Menschen, die überall herumliefen. Zu allem Überfluss hatten seine Leute auch noch vergessen, die Futterschale aufzufüllen, geschweige denn ein Schälchen Sahne bereitzustellen. Mit knurrendem Magen musste er auf die Jagd gehen. Zwei schäbige Mäusekinder und eine Hummel waren alles, was er in dem Trubel erbeuten konnte. Erst in den späteren Nachmittagsstunden wurde es besser. Er fand

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