Die keltische Schwester
zu.
»Bonjour, Dr. Koenig.«
»Bonjour, Monsieur Callot. Können wir uns unterhalten?«
»Gegen Abend, in meinem Büro.«
Polizei, Wulf, Dr. Koenig waren fort, Callot und der Arzt unterhielten sich, Teresa kam vom Strand zurück, geradewegs auf mich zu.
»Lindis, ich kann mit der jungen Frau nicht viel anfangen. Ich weiß nicht, was da alles vorgefallen ist. Die Suppe, in die sie weint, ist dicker, als ich durchschauen kann. Kannst du mal zu ihr gehen?«
»Willst du, Lindis?«
»Wollen? Ja, wahrscheinlich will ich sogar.«
»Dann geh, ich bleibe in deiner Nähe.«
3. Faden, letzter Knoten
Ich ging zum Strand hinunter und fand Karola an einen Felsen gelehnt sitzen. Sie hatte ein zerknülltes Taschentuch in der Hand und wischte sich wieder und wieder über ihr fleckiges Gesicht. Bevor ich mich zu ihr setzte, drehte ich mich noch einmal um und sah, dass Robert sich oberhalb von mir mit gekreuzten Beinen im Gras niederließ. Ich spürte eine Welle von Liebe von ihm ausgehen und legte meinen Arm um Karola.
»Warum kriegst du alles und ich nie etwas?«, schniefte sie.
»Ach, Karola, was heißt ›alles‹ bekommen?«
»Wulf.«
»Wulf bedeutet mit nichts, Karola. Es war eine dumme Affäre aus Langeweile und Eitelkeit. Ich schäme mich jetzt dafür, dass ich sie überhaupt angefangen habe. Er hat mich nur als Zeitvertreib betrachtet. Nie als mehr.«
»Er ist eifersüchtig auf den Professor.«
»Er sieht nur, dass ihm etwas weggenommen wird, von dem er sich eingebildet hat, er könne darüber verfügen. Wulf ist kein netter Mensch, Karola.«
»Ich hatte gehofft …«
»Ja – Hoffnung.«
»Jetzt ist da gar nichts mehr.« Sie schluchzte aufs Neue trocken auf und sah erbarmungswürdig aus. »Ich habe nichts mehr. Kein Mensch mag mich. Alle hassen mich. Alle sehen auf mich herab, weil ich ein uneheliches Kind habe. Ich will nicht mehr. Ich würde am liebsten da hinausgehen und nicht wiederkommen.«
Sie zeigte mit einer müden Bewegung auf das Meer.
»Und deine Tochter?«
»Dieses grässliche Kind, dieses Ungeheuer! Sie macht mich so fertig. Ich kann nicht mehr.«
»Karola, Jessika ist nicht sehr liebenswürdig. Richtig. Aber,Karola! Karola, du hast sie in die Welt gesetzt. Du wolltest ein Kind haben, aus welchem Grund auch immer. Niemand sieht heutzutage auf eine alleinerziehende Mutter herab.« Mir wurde mit einem Schlag etwas sehr klar. »Karola, du hast Jessy bekommen, weil du es chic fandest, deine Mutterrolle zu spielen. Aber Jessy war bisher nur Mittel zum Zweck für dich. Richtig lieb hast du deine Tochter nicht. Ich glaube, ein Kind merkt das noch viel stärker als Erwachsene. Du hast ihr nie gezeigt, dass sie dir etwas bedeutet. Du hast sie entweder abgeschoben an ihre Tagesmütter oder ihr einfach alles erlaubt, was sie gefordert hat. Und jetzt benimmt sie sich natürlich so unmöglich, dass jeder sie störend findet. Karola, nächstes Jahr kommt sie in die Schule. Wie viel du bis dahin noch gutmachen kannst, weiß ich nicht. Aber hole dir professionellen Rat und versuch, sie ein bisschen liebzuhaben. Mit ganz wenig Liebe, die man gibt, kann man so viel zurückbekommen.«
»Glaubst du?«
»Ich weiß es.«
Sie sah auf das Meer hinaus, das im Sonnenschein funkelte. Am Horizont zogen ein paar Wölkchen dahin, eine Schar schwarz-weißer Strandläufer pickte synchron im festen Sand nach kleinem Getier. Als eine Welle heranspülte, eilten die Vögel mit lustig wippenden Schwänzen davon.
»Komm, du musst völlig fertig sein. Ich bringe dich ins Haus, und du kannst ein bisschen schlafen. Später fahre ich dich ins Hotel zurück.«
Sie ließ sich von mir aufhelfen und über die Wiese führen. Robert war nicht mehr da, nur Callots Wagen stand noch vor Morwennas Tür. Ich brachte Karola in mein Zimmer, und sie legte sich erschöpft nieder. Leise schloss ich die Tür hinter ihr.
Robert war nebenan in seinem Raum und zog sich die Schuhe aus.
»Du siehst sehr unsolide aus, so unrasiert und halb nackt,Herr Professor Doktor. Ein Landstreicher ist gepflegt dagegen.«
»Findest du? Ich wollte das eigentlich zu meinem neuen Stil erklären.«
»Unmöglich, Robert. Das geht nicht. Das ist leider viel zu sexy!«
Er sah mich von oben bis unten an, der Schalk saß in seinen Augen. Das gab mir den Rest. Ich packte das am Hals von dem Gerangel zerfetzte T-Shirt und riss es mit einem Ruck völlig auseinander.
»Holla!«, sagte er. Und dann lange nichts mehr.
Als ich wieder bei Sinnen war, flüsterte ich:
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