Die Ketzerbraut. Roman
solche Worte noch nie in den Mund genommen, doch ihr Hass auf die Mörder ihres Bruders war so groß, dass ihr selbst diese Hexenflüche als viel zu harmlos erschienen.
Obwohl sie abwechselnd die Mächte der Hölle und die Heilige Jungfrau samt allen ihr bekannten Heiligen anflehte, Bartls Tod zu rächen, verhallten ihre Worte wirkungslos. Die Stimmen der Räuber klangen immer ausgelassener. Offensichtlich brüsteten sie sich mit den Taten, die sie bereits begangen hatten. Dabei spotteten sie besonders über die Münchner Kaufleute, denen sie schon etliche wertvolle Wagenladungen geraubt hatten, aber auch über die Bürger von Tölz, Miesbach und anderen Orten des Vorgebirges, die sich, wie sie lachend behaupteten, schon bei dem Gedanken an die Gefahren, die in den Bergen lauerten, in die Hose machten.
Veva fragte sich, ob die Kerle sie mit ihren losen Reden ängstigen wollten oder ob sie nach ihren Raubzügen immer so ausgelassen feierten. Erneut sah sie ihren toten Bruder vor sich liegen, und der nächste Weinkrampf schüttelte ihren Körper.
»Bartl!«, schrie sie auf. »Warum warst du so vertrauensselig? Warum musstest du die Straße verlassen und diesem Schurken folgen?«
Erst als sie die eigene Stimme vernahm, wurde ihr bewusst, dass sie ihren toten Zwillingsbruder anklagte, an ihrem Unglück schuld zu sein. Sofort bat sie ihn in Gedanken um Verzeihung. Bartl hatte sie stets beschützt, und diesmal hatte er ihr eine Übernachtung unter freiem Himmel ersparen wollen. Nur ihretwegen war er diesem verräterischen Kerl auf den Leim gegangen. Dann sagte sie sich, dass Bartls sonniges Gemüt ihn auch ohne ihre Anwesenheit verführt hätte, dem Räuber zu glauben. Diese Erkenntnis verhinderte, dass sie sich vor Schuldgefühl zerfleischte. Sie durfte sich nicht ihrem Elend hingeben, sondern musste sich Gedanken machen, wie sie diesen Unholden entkommen konnte. Von den Möglichkeiten, die sie daraufhin erwog, war jedoch keine ausführbar.
Nach einiger Zeit erlosch die Unschlittlampe mit einem letzten Aufflackern, das von üblen Dünsten begleitet wurde. Inzwischen hatte Veva sich jedoch an den Gestank gewöhnt, so dass ihr Magen nicht erneut protestierte. Aber sie fand sich in einer ägyptischen Finsternis wieder, in der ihr Kopf ihr alle jemals über Räuber vernommenen Greuel als Schreckensbilder vorgaukelte.
5.
V eva wusste nicht, ob Stunden oder gar Tage vergangen waren, als die Tür wieder geöffnet und eine Lampe in die Kammer gehalten wurde. Höllischer Durst peinigte sie, und sie fühlte sich zum Sterben elend. Nun erkannte sie den Mann, der ihre Gruppe in die Irre geführt und ihren Bruder erdolcht hatte, und stieß einen zischenden Laut aus.
Der Kerl grinste sie frech an. »Wenn du könntest, würdest du mir mit den Zähnen die Kehle zerfetzen wie ein tollwütiger Hund, was? Aber da bleibt dir der Schnabel sauberer als du selbst. Du siehst aus wie ein Ferkel, das sich im eigenen Dreck gewälzt hat. Für ein paar gute Worte und einen Kuss bin ich jedoch bereit, dich zu waschen.«
»Verrecken sollst du und deine Kumpane mit dir!«, brach es aus Veva heraus.
»Keine Sorge, wir kriegen dich schon klein! Sobald dir jeder von uns zwischen die Beine gestiegen ist und das mit dir gemacht hat«, der Mann bewegte anzüglich das Becken vor und zurück, »wirst du anders reden. Das letzte Weibsstück hat leider nicht lange durchgehalten. Ein paar von uns sind halt recht rauh, und es macht ihnen Spaß, so eine wie dich schreien zu hören, während sie in ihr herumfuhrwerken.«
Die junge Frau wich mit einem Ausdruck des Entsetzens vor dem Mann zurück. »Ihr seid keine Menschen, sondern Teufel, die der Hölle entstiegen sind!«
»Dann reize uns nicht, sonst fährt deine Seele schneller hinab, als du ›Vater unser‹ sagen kannst!« Der Kerl sah sie drohend an, drehte sich aber um und verließ die Kammer.
Nach kurzer Zeit erschien er wieder mit einem Eimer Wasser, einem Lappen und einem Stoffknäuel unter dem Arm. Ein anderer Räuber brachte eine neue Unschlittkerze für die Laterne und zündete sie an.
»Ich binde dir jetzt die Arme los, damit du dich waschen kannst. Danach ziehst du das andere Gewand an. Mit dem offenen Oberteil bist du eine zu große Verlockung für mich und meine Freunde.« Mit diesen Worten packte Bartls Mörder Veva, zog sie auf die Füße, so dass sie mit dem Rücken zu ihm zu stehen kam, und nestelte den Knoten auf. Dann versetzte er ihr einen Stoß, der sie gegen die hintere Wand
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