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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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befassten sich im stillen Kämmerlein aber inniger mit ihren weiblichen Schäfchen, als es einem Priester oder Mönch zukam. Aus diesem Grund schüttelte er unwirsch den Kopf. »Ihr solltet besser auf Eure Brüder in Christo achten, ehrwürdiger Vater, als dem einfachen Volk das Lachen zu missgönnen. Mir sind Dinge zu Ohren gekommen, die viele Eurer Mitbrüder nicht in bestem Licht erscheinen lassen.«
    Die Zurechtweisung des Herzogs tropfte an Doktor Portikus ab wie Wasser von gewachstem Filz. »Unter meinen Brüdern mag es Sünder geben, doch sie werden von Gott die Kraft erhalten, in Zukunft allen Versuchungen zu widerstehen. Seht lieber hin, wie schlimm es der junge Rickinger treibt! Der Bursche ist eine Schande für die Stadt. Man hätte ihn längst an den Pranger stellen und mit Ruten streichen müssen.«
    Jetzt suchte auch der Herzog den Kaufherrnsohn Ernst Rickinger in der Menge. Der junge Mann hatte inzwischen die Weberfrau verlassen und tanzte mit einer hübschen Magd, die ihm mit eindeutigen Gesten zu verstehen gab, dass er sich nicht weiter auf die Suche begeben müsse. Nun runzelte Herzog Wilhelm doch die Stirn. Wenn den jungen Rickinger der Hafer stach, sollte er zu den gefälligen Mägden am Sendlinger Tor gehen, nicht aber ein junges Ding verführen, das als Dienstmagd einem ehrlichen Haushalt angehörte.
    Dennoch war er nicht bereit, Doktor Portikus recht zu geben. Es gab mindestens ein Dutzend junger Männer in der Stadt, die es ähnlich schlimm oder noch schlimmer trieben als der junge Rickinger, und einige davon gehörten zu seinem engeren Gefolge. Außerdem wusste er sehr wohl, weshalb der Theologe bei jeder Gelegenheit speziell diesen Münchner Bürger unzüchtiger Umtriebe beschuldigte.
    Ernst Rickinger hatte im letzten Jahr erfahren, dass Pater Remigius, ein mit Portikus befreundeter Geistlicher, heimlich die Ehefrau eines Schäfflers aufgesucht hatte. Daraufhin war er mit anderen Burschen in das Liebesnest der beiden eingedrungen und hatte das Paar nackt durch die Straßen getrieben.
    Da der Herzog Remigius’ Unmoral zutiefst verabscheute, hatte er verhindert, dass der junge Rickinger und dessen Freunde bestraft wurden. Seitdem versuchte Portikus immer wieder, Wilhelm zur Rücknahme dieser Entscheidung zu bewegen. Aber solange etliche Mönche und Weltgeistliche in der Stadt unter Weiberröcke krochen, trafen seine Worte beim Herzog auf taube Ohren.
    Aus diesem Grund machte Wilhelm IV . eine wegwerfende Geste. »Lassen wir Rickinger tanzen, Portikus! Trinkt lieber einen Becher Wein mit mir.«
    Der Theologe verbeugte sich mit verbissener Miene und nahm den Becher entgegen, den ein Page ihm reichte. Aber sein Blick verfolgte Ernst Rickinger, und er überlegte, wie es ihm gelingen könnte, diesen dem Herzog als derart sündhaft zu präsentieren, dass Wilhelm nichts anderes übrigblieb, als den unverschämten Kerl bestrafen und aus der Stadt verbannen zu lassen.

7.
    E rnst ahnte nichts von den neuesten Bemühungen des Doktor Portikus, ihn an den Schandpfahl zu bringen. Vergnügt schäkerte er mit der jungen Magd, tanzte ein paar Runden und zog sie schließlich zu einem der Stände, an denen Wein ausgeschenkt wurde. »Jetzt können wir einen kühlen Schluck brauchen, Rosi!«
    »Das kannst du … äh, ich meine, das könnt Ihr laut sagen, Herr Rickinger«, antwortete die Magd mit aufleuchtenden Augen. Wein war kein Getränk, das sie jeden Tag bekam. Außerdem war es etwas Besonderes, von einem Bürger wie Ernst Rickinger dazu eingeladen zu werden.
    Der junge Mann winkte lachend ab. »Sag ruhig du und Ernst zu mir. Der Herr Rickinger ist mein Vater.«
    »Dem wird es gewiss nicht recht sein, wenn ich Euch anrede wie meinesgleichen«, wandte die Magd ein.
    »Er muss es ja nicht erfahren.« Ernst fasste das Mädchen unter und stellte sich in die Reihe vor dem Stand des Weinschenken, der ohne Unterlass Tonbecher füllte und austeilte, während sein Weib die Münzen entgegennahm, die ihr die Kunden reichten, zumeist ärmere Bürger, deren Frauen und Töchter sowie ein paar Handwerksgesellen, die an diesem Tag ihr sauer verdientes Geld lieber für einen Becher Wein ausgaben als für ein paar Krüge Bier, die von den Brauern auf der anderen Seite des Schrannenplatzes ausgeschenkt wurden. Eine schlichte Magd wie Rosi hatte an diesem Stand nichts verloren. Daher sah das Mädchen sich missbilligenden Blicken ausgesetzt und fragte Ernst leise, ob sie nicht besser ein paar Schritte beiseitegehen und warten

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