Die Ketzerbraut. Roman
solle, bis er das Getränk erhalten habe.
»Warum denn?«, fragte er. »Da ich dich eingeladen habe, ist es dein Recht, neben mir zu stehen.«
Einer der Wartenden hörte es und drehte sich zu Ernst um. »Es wird unserem Hochwürden nicht gefallen, wenn du mit einer Dienstmagd tändelst, mein Junge. Wenn du dich als Mann beweisen willst, dann geh zu den Dirnen im Frauenhaus. Dazu wird keiner etwas sagen. Aber so …« Der Rest blieb ungesagt, aber seine Miene deutete an, dass Ernst Probleme bekommen würde, wenn er seinen Lebenswandel nicht änderte.
Der junge Mann verzog spöttisch den Mund. Er war die Ermahnungen von Männern leid, die sich nach außen hin tugendsam gaben, daheim aber die eigenen Mägde bestiegen, weil die Ehefrau zu oft in den Beichtstuhl eilte, um ihrem Beichtvater dort auf die gleiche Weise zu Diensten zu sein. In Ernsts Augen sprachen viele Geistliche und hohe Herrschaften zu oft von Moral, meinten damit aber die der anderen, nie ihre eigene. Sogar der Herzog war trotz seiner zur Schau getragenen Frömmigkeit nicht abgeneigt, einem hübschen Mädchen seine ganz besondere Gunst zu erweisen.
»Wir sind dran!« Rosis leise Mahnung riss Ernst aus seinen Gedanken.
Er lächelte ihr zu und sah dann den Wirt an. »Einen kleinen Krug vom besten Wein und zwei Becher, mein Guter!«
Der Weinschenk hatte bereits gemerkt, dass die Leute sich Rosis wegen ereiferten, wagte es jedoch nicht, Ernst abzuweisen. Daher füllte er den Krug, suchte dann aber einen angeschlagenen Becher heraus und streckte diesen der Magd entgegen. »Hier, das Gefäß ist gut genug für dich!«
»Wenn es für Rosi gut genug ist, ist es auch gut genug für mich«, erklärte Ernst, nahm dem Mädchen den schadhaften Becher ab und reichte ihr den seinen. Mit der anderen Hand griff er nach dem Krug, wanderte in Richtung Kaufingergasse und lehnte sich an eine Hauswand.
»Komm, Mädel, lass dir deinen Becher füllen. Heute ist ein schöner Tag, und da soll keine Laus es wagen, uns über die Leber zu laufen.« Mit diesen Worten füllte er zuerst ihren Becher bis zum Rand, dann den seinen, und stieß mit ihr an.
»Auf dein Wohl, Rosi. So jung kommen wir nicht mehr zusammen!«
»Danke, He… Ernst.« Das Mädchen atmete tief durch und setzte den Becher an.
Auch Ernst trank. Niemandem, der ihn so sah, wäre aufgefallen, dass er Doktor Portikus beobachtete, der inzwischen die Bühne des Herzogs verlassen hatte und über den Schrannenplatz streifte.
»Wie ein Geier, der nach Aas Ausschau hält!«, murmelte Ernst vor sich hin.
»Was hast du gesagt?«, fragte das Mädchen.
Ernst stellte den halbvollen Weinkrug zwischen seine Füße und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nichts von Belang, Rosi. Ich habe mir nur überlegt, was wir nach dem Fest tun sollen.«
»Aber es gehört sich doch nicht, dass wir etwas zusammen machen.« Dabei kicherte die Magd kokett und musterte Ernst herausfordernd. Der junge Rickinger war ein schmucker Mann, gerade mal vierundzwanzig Jahre alt, groß gewachsen und schlank wie eine Tanne. Sein Gesicht wirkte männlich und sympathisch. Außerdem blickte er sie mit seinen bernsteinfarbenen Augen so bewundernd an, dass ihr ganz warm ums Herz wurde. Ernst hatte nichts gemein mit jenen Männern, mit denen sie sich gelegentlich einließ, um sich ein paar Kreuzer zu verdienen. Irgendwann, so hoffte sie, würde sie genug gespart haben, um einen ehrlichen Burschen heiraten und selbst einen Ausschank eröffnen zu können.
»Ich habe noch nie das getan, was sich gehört«, antwortete Ernst.
In seiner Stimme schwang Spott, aber der galt nicht dem Mädchen, sondern jenen, die ihm alles Schlechte nachsagten. Doktor Portikus, dessen hasserfüllte Blicke er durchaus bemerkt hatte, war nur einer von ihnen. Zwar war der Theologe wohl sein größter Feind, aber es gab genügend andere, die gegen ihn hetzten. Die meisten von ihnen verachtete er nur, aber vor Portikus musste er sich hüten. Wieder warf er einen raschen Blick in dessen Richtung und stellte fest, dass der Mann ihn nicht aus den Augen ließ.
Mit einem Achselzucken wandte er sich an Rosi. »Unser Rossknecht wird heute etliche Bierkrüge leeren und danach schlafen wie ein Stein. Wenn du magst, könnten wir bei uns auf dem Heuboden noch ein wenig Adam und Eva spielen.«
»Ich darf nicht zu spät heimkommen. Sonst schlägt mich die Frau Meisterin.«
»Die alte Schachtel soll sich nicht so haben! Nach all dem, was ich von der gehört habe, ist sie in ihrer Jugend
Weitere Kostenlose Bücher