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Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Titel: Die Kinder der Nibelungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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war, durch alte Schuld und alte Feindschaft, und den er nun, am Ende seiner Kraft, noch einmal ins Werk setzen wollte.
    Der Hammer verharrte in der Bewegung.
    Sehnen spannten sich, Muskeln traten wie dicke Knotenstränge hervor, als der Gott und der Mensch miteinander kämpften. Langsam, Millimeter um Millimeter wurde der Hammer hinuntergezwungen. Ob er den Speer je wirklich berührte, Siggi hätte es nicht sagen können.
    Denn um dem Arm hatte sich plötzlich ein Band gelegt, geschuppt, wie das Ornamentband, das den Rand des Ambosses umgab. Doch dieses Band schwoll und verdickte sich, wurde zu einer Schlange, die eine zweite Windung um Thors Arm flocht, eine dritte und vierte. Dann war sie überall zugleich, umgab den Gott von allen Seiten.
    »Jörmungand!« Die Stimme Thors war ein Kampfesruf und ein Schrei der Verzweiflung zugleich.
    Die Midgardschlange, welche die ganze Welt umspannte, ohne Anfang und Ende, hob ihr Haupt. Schlaufe um Schlaufe rollte sich um den Amboss heran, legte sich um Arme und Beine, Rumpf, Hals und Haupt.
    Thor kämpfte wie ein Berserker. Donner grollte in der Luft. Sein Hammer schlug Funken aus dem Schlangenleib, drang tief in die metallisch schimmernde Haut. Doch wo er eine Windung des Ungeheuers zertrennte, türmten sich zwei weitere auf, bis er ganz von den schuppigen Schlingen umgeben war. Immer noch kämpfte Thor, aber die Schlange zog sich fester und fester, bis er sich nicht mehr rühren konnte, weil der endlos gewundene Leib ihn zerquetschte. Und der Hammer entfiel seiner kraftlosen Hand.
    Siggi, der in dem ersten Ansturm Jörmungands beiseite geschleudert worden war, hob ihn auf. Er war wieder er selbst. Doch wie unter einem inneren Zwang stand er auf, um dem Gott, an dem er Anteil gehabt hatte, die letzte Ehre zu erweisen.
    Es war ein qualvolles Sterben. Das mächtige Haupt der Midgardschlange bäumte sich auf, bis es an die Decke der riesigen Kuppel stieß, und senkte sich dann herab. Dann öffneten sich die gifttriefenden Kiefer, und schlössen sich um ihre Beute. Doch sie verschlangen Thor nicht mit einem Mal, sondern langsam, Stück für Stück. Es schien ewig zu dauern, bis er verschwunden war und das letzte Grollen des Donners verebbte.
    Dann entrollte die Schlange ihre Windungen und zog sich wieder zusammen, Schlinge um schuppige Schlinge, bis sie wieder nicht mehr war als ein endlos geflochtenes Band, das einen schwarzen Stein im Zentrum der Anderswelt umgab.
    Noch völlig unter dem Eindruck des Erlebten stehend, wandte Siggi sich um. Er fühlte noch die Gegenwart des Donnergottes in sich wie ein Nachbeben. Die Wesenheit Thors, jene Mischung aus mächtigem Gott des Krieges, Bauern und unbekümmertem Abenteurer, klang in ihm nach wie ein gewaltiges Echo.
    Seine wilden Fahrten, das Ringen mit den Ungeheuern, das ungezähmte Wesen des Donnergottes würde Siggi für den Rest seines Lebens prägen, ebenso wie das Zwiegespräch der Götter, dessen Zeuge er geworden war, bevor ihn der Donnerer wieder verlassen hatte.
    Siggi ließ Alberich, der hinter dem Amboss in die Knie gefallen war, die Schmiede und den Speer hinter sich. Die Rechte umklammerte den Hammer, so dass die Knöchel der Finger weiß hervortraten. Wie in Trance überschritt er den Lavaring, der glühend den Amboss umgeben hatte und nun zu schwarzer Schlacke erkaltet war, und ging er auf die Stelle zu, wo Hagen immer noch kraftlos zwischen den Wachen der Swartalfar hing.
    »Wartet!«, ertönte die tiefe Stimme Alberichs hinter Siggi. »Ich habe euch versprochen, ihr könntet dahin gehen, wohin ihr wollt!«
    Siggi wandte sich um. In seinem Gesicht lag wilder Grimm, ein Zorn, den er ohne die Nachwirkungen der Wesenheit Thors nicht hätte empfinden können. Siggi hob Mjölnir, den Hammer des Donnerers, um ihn gegen jeden zu verwenden, der ihm im Weg stehen würde, sei es Albe, Mensch oder Gott.
    »Was ist, Nibelung? Tritt jetzt deine Hinterlist zutage?«, rief Siggi, und seine Stimme grollte wie ferner Donner.
    »Hinterlist?«, antworte Hagen anstelle des Herrn der Swart-alfar und sprang auf die Füße, um, als fehle ihm nichts, an die Seite Alberichs zu eilen. »Nenne es Kriegslist; denn ich bin ein Krieger und Prinz der Swart-alfar.«
    Mit allem hatte Siggi gerechnet, aber nicht damit. Er war so überrascht, dass erst wieder Leben in ihm kam, als Hagen Alberich erreicht und ihm aufgeholfen hatte.
    Siggi hatte alle Mühe, sich zu beherrschen. Alles in ihm schrie danach, loszustürzen, um Alberich und Hagen mit Mjölnir

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