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Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Titel: Die Kinder der Nibelungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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musste sich das Schlacht zu einem Gemetzel gewandelt haben. Selbst wenn die Krieger beider Seiten hätten aufhören wollen, es wäre ihnen nicht gelungen. Der Geist des Weltuntergangs, der rote Wind Ragnaröks, trieb sie unerbittlich in den Kampf.
    Die Kinder erfüllte tiefe Trauer ob dieser schaurigen Sinfonie des Endes einer ganzen Welt, die unter ihren Augen zu Grunde ging. Sie durften sich nicht in den Kampf verwickeln lassen; denn ohne den Schutz der Götter würden sie gegen die Krieger beider Seiten keine Chance mehr haben.
    Doch die Götter waren tot, und ihre Welt lag im Sterben.
    Wie schön hätte es in den Höhlen sein können, wenn statt Hass Verständnis und der Geist der Versöhnung regiert hätten! Laurion und Mîm hätten noch leben können; so hatten sie sich mit ihren Klingen gegenseitig aufgespießt. Es war der Fluch des Sieges, dass sich aus Hass Zwietracht und aus Zwietracht neuer Hass ergab …
    Die Schreie wurden lauter, waren deutlicher zu verstehen. Offensichtlich näherten sie sich dem Ort, wo nach vielen kleineren Scharmützeln nun die große Endschlacht der Licht- und Dunkelalben ausgetragen wurde – dem Schlachtfeld Ragnaröks, das keine Überlebenden kannte.
    »Können wir dem Kampf nicht ausweichen?«, fragte Siggi.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Gunhild, »ich kenne nur den einen Weg. Und den nicht mal ganz; ich weiß es nur jedes Mal, wenn ich die Richtung ändern muss, aber …« Hilflos zuckte sie mit den Schultern.
    »Wir müssen immer das Beste hoffen«, warf Hagen ein. »Und du hast immer noch den Ring und den Hammer. Das kann unsere Rettung sein.«
    Hagen wunderte sich, wie unbeschwert er über den Ring reden konnte, nun da ihn Lokis Geist verlassen hatte. Er verspürte kein Verlangen mehr danach, ja, nicht einmal Bedauern, dass er ihn nicht mehr besaß. Inzwischen hatte Siggi sicherlich das größere Recht darauf. In Muspelheim hatte Siggi ihn, Hagen, damit vor einer großen Dummheit bewahrt.
    »Ich wünschte dennoch«, meinte Siggi, »wir könnten der Schlacht aus dem Weg gehen. Ich meine, wenn’s sein muss, klar, darin habe ich immer noch den Hammer. Aber der Kampf Laurions hat mir gereicht. Ich möchte nicht noch mehr davon sehen.«
    Hagen und Gunhild nickten verständnisvoll.
    »Aber wir können uns unsere Pfade nicht aussuchen«, meine das Mädchen. »Die Göttin hat aber versprochen, uns zu helfen.«
    Und so setzten sie ihren Weg fort. Die gespenstischen Schreie hallten immer noch durch die Gänge, und man hätte meinen können, mit der Zeit würde man sich daran gewöhnen. Aber die drei gewöhnten sich nicht daran. Jeder Todesschrei trieb ihnen von neuem eine Gänsehaut über den Rücken, und eine Beklemmung beschlich sie, die nicht weichen wollte.
    So hatte sich in seiner Fantasie Siggi das Ende eines großen Abenteuers nicht vorgestellt. Am Ende reitet der Held immer lächelnd in den Sonnenuntergang, und es bleibt keine Zeit für Trauer, Schmerz oder Entsetzen. In seiner Fantasie waren am Ende immer alle glücklich, die Bösen besiegt, die Guten wohlauf.
    Aber wer waren hier die Guten? Wie hatte Odin noch gesagt, als er sie zu den Lichtalben bringen wollte: Was ist gut, was ist böse? Das sind zwei Seiten einer Münze. Wer kann schon sagen, welche Seite davon die richtige ist. Der Unterschied liegt im Geist des Betrachters.
    Alle waren sie im Recht und die anderen im Unrecht. Aber im Tod machte es keinen Unterschied mehr. Er hatte gesehen, wie Laurion sein Schwert in die Körper der Schwarzalben stieß, und sie hatten beim Sterben genauso gelitten wie der junge Lios-alf, der ihnen das Leben gerettet, oder Yngwe, der in Ymirs Unheilsquell den Tod gefunden hatte.
    Bald gab es keinen Zweifel mehr. Der Weg, der ihnen die Göttin durch Gunhild wies, führte sie näher an das Schlachtfeld heran, als ihnen lieb war. Die Schreie wurden deutlicher, und einzelne Worte waren zu verstehen, wenn ein Sterbender nach seiner Frau oder Mutter rief oder wenn ein von Geist Ragnaröks erfüllter Krieger einen wilden Schlachtruf im Namen Alberichs, Freyas, Thors oder Odins ausstieß. Manchmal war auch ein wilder Fluch zu hören, der in ihren Ohren gellte.
    »Gibt es wirklich keinen anderen Weg?«, ließ Siggi sich vernehmen, und aus den Blicken, die ihn Hagen und Gunhild zuwarfen, konnte er sehen, dass sie ähnlich darüber dachten.
    Das Licht schien mit jeden Augenblick mehr zu schwinden, und die Dämmerung nahm zu. Siggi fühlte sich an die Zeit erinnert, als sie von Swartalfar durch

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