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Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Titel: Die Kinder der Nibelungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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sagte Siggi. »Wir müssen hier raus.«
    »Über uns tobt die letzte Schlacht zwischen den Swart-alfar und Lios-alfar«, wandte Hagen ein, »und es wäre nicht gut, wenn wir da hineingeraten.«
    »Aber hier können wir nicht bleiben, so schön es ist«, sagte Gunhild ernst. »Ich glaube nicht, dass dies alles hier noch lange Bestand hat.«
    »Kommt jetzt, schwingt keine Reden«, meinte Siggi. »Die Nacht dauert auch in der Anderswelt nicht ewig, und wir müssen noch den Ausgang suchen.«
    Sie wandten sich dem nach oben weisenden Gang zu, der aus der Grotte führte. Siggi hatte wie selbstverständlich die Spitze übernommen. Mjölnir in der Faust, gefolgt von Gunhild, und Hagen deckte ihren Rücken. Sie waren bereits ein Stück in den Gang eingedrungen, als sie hinter sich ein Geräusch hörten.
    »Achtung!«, zischte Hagen.
    Wie auf ein Kommando warfen sich alle drei herum, und pressten sich gegen die Wände, als wollten sie mit dem grauen Stein verschmelzen. Ihr Blick ging zurück in die Grotte.
    Sie sahen Walvater Odin, der in die Grotte kam.
    Er sah fürchterlich aus. Offensichtlich war er mitten in die Kämpfe der Alben geraten. Seine Kleidung war zerrissen, und das Gewand färbte sich dunkel von Blut. Er taumelte mehr, als er ging, und sein Ziel war die Quelle. Dort lag das, was er am meisten begehrte; was einst durch einen einzigen Hieb zerstört wurde; was neu geschmiedet, aber ihm verweigert worden war.
    Der Runenspeer.
    Das Zeichen seiner Macht.
    Odin stürzte. Einen Moment lag er völlig reglos da, dann raffte er sich wieder auf und kroch auf Händen und Knien weiter. Er stöhnte vor Schmerzen; roter Schaum stand ihm vor dem Mund, aber dann lachte er plötzlich irre auf; ein Lachen, das zu einem Husten wurde. Der Speer war sein Ziel, der Speer des Schicksals, der ihm selbst zum Schicksal geworden war. Nichts anderes beseelte ihn mehr, nur noch die Gier danach und der Wille, ihn in Besitz zu nehmen.
    Das Licht in seinem Auge wurde schwächer und schwächer, und doch hielt ihn sein eiserner Wille am Leben. Dann versagten ihm seine Arme den Dienst. Er sackte auf dem Boden zusammen und lag reglos da.
    Blut färbte den Boden der Grotte, sammelte sich zu einer Lache.
    Doch Odin gab nicht auf. Zwei Armeslängen war er nur noch entfernt von dem Ziel seiner Wünsche. Mit letzter Kraft krallte er sich in den kristallenen Fels, zog sich in seinem eigenen Blute noch ein Stück weiter. Und lag still.
    Eine endlos scheinende Zeitspanne geschah gar nichts.
    Dann ging ein Zucken durch Odins Arm.
    Langsam, unendlich langsam, kroch Allvaters blutbefleckte Hand wie eine Spinne über den Boden, färbte den Felsen rot.
    Dann schlössen sich die Finger um den schwarzen Schaft.
    »Mein! Endlich mein!«
    Wieder erzitterte die Erde. Die Kristalle der Grotte klingelten.
    Hagen und Siggi wollten sich schützend vor Gunhild stellen. Siggi hielt Mjölnir zum Schlag erhoben, entschlossen, sich dem Gott in den Weg zu stellen, sollte er sich ihnen nähern.
    Das Klingen der Kristalle steigerte sich zu einem gläsernen Klirren, als die ersten von ihnen zu fallen begannen. Odin blickte auf. Der Triumph in seinem Auge verwandelte sich zu einer Fratze des Entsetzens, als er sah, was auf ihn zukam.
    Die Kristalle der Grotte hatten die Form eines riesigen, zähnebewehrten Rachens.
    Odin hob den Speer, um sie abzuwehren. Doch kein Flammenstoß drang aus seiner Spitze, keine Runenmagie strahlte aus dem nachtdunklen Schaft. Heil und ganz war der Speer, gewiss, aber selbst in der Hand seines Schöpfers war er nicht mehr als ein totes Stück Holz, ohne Zauber, ohne Macht.
    Dann schlössen sich die kristallenen Kiefer mit einem grässlichen Knirschen.
    Gunhild wandte den Blick ab. Hagen schluckte. Nur Siggi sah unverwandt auf das Geschehen. Er hatte so vieles in den letzten Stunden gesehen, das nicht für die Augen Sterblicher bestimmt gewesen war, dass er auch jetzt noch Zeuge sein wollte.
    Die Zähne des Ungeheuers hatten Odins Brust durchbohrt, hatten sich tief in Arme, Unterleib und Beine gegraben. Die Rechte umklammerte immer noch den nutzlosen Speer. Eine einzige Träne war aus dem Auge Allvaters geronnen. Er öffnete den Mund, als ob er noch etwas sagen wollte, doch die Kraft reichte nicht mehr. Das Feuer in seinem Auge flackerte ein letztes Mal auf, dann erlosch es, die kraftlosen Finger öffneten sich, und der Speer rollte aus der Hand des toten Gottes.
    Dann kam ein heißer Wind aus den Tiefen der Welt, mit einem Heulen wie der Stimme eines

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