Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka
beteuerte Layla.
»Aber genau so wirkt es auf Leute wie mich. Und du kannst mir glauben, es ist ziemlich heftig, wenn ein Mensch den Rest seines Lebens als Hund oder Katze zubringen muss.«
Layla war von Mr Gaunts Worten bis in die Seele verwundet,doch da sie ebenso klug war wie er, wusste sie genau, was er meinte. Und da sie sich für nicht weniger warmherzig hielt als ihren Mann, den sie von ganzem Herzen liebte, schwor sie, ihrer Dschinnkraft zu entsagen. Doch dieses Mal würde es für immer sein.
Feierlich hob sie die Hand, als leiste sie einen Eid vor Gericht, und sprach mit tiefem Ernst:
»Nie wieder will ich die mittägliche Sonne verfinstern«, sagte sie, »noch das Gras rot färben oder die widerspenstigen Winde herbeinötigen, nicht zwischen See und Himmel Krieg erregen noch den Donner rufen oder die Eiche mit Feuer spalten. Nicht die Bäume schütteln noch den Menschen die Sinne rauben, weder Musik aus dem Nichts befehlen noch Fenster in die Seele der Menschen setzen. All dieser rauen Zauberkunst, wie du es nennst, schwöre ich hiermit ab. Von jetzt an soll, was an Kraft mir bleibt, die meine sein. Und lass deine Nachsicht mich befreien, Edward. Erhöre mich Gott.«
Mit Tränen in den Augen küsste sie die Hand ihres Mannes.
»Lass uns nach Hause gehen«, flüsterte Mr Gaunt.
Layla ließ den Wagen an.
»Und was passiert jetzt?«, fragte er.
»Jetzt?« Layla seufzte. »Jetzt werde ich mich darauf konzentrieren, Frau und Mutter zu sein. Das passiert jetzt.«
D urchs A uge
Wie sich herausstellte, konnte man das Auge des Waldes wesentlich schneller betreten als verlassen. Andersherum gesagt dauerte es wesentlich länger herauszukommen als hinein. John und Nimrod, die noch nicht auf der anderen Seite der goldenen Tür gewesen waren, verschauen. Philippa verbrachte die gleiche Zeit damit, sich zu wundern. Groanin ebenfalls. Denn anstelle des großen Matratzenbergs, den Philippa mit Dschinnkraft erschaffen hatte, um sich selbst, Groanin, Miesito und Muddy nach ihrer rapiden Auffahrt durch den Kamin eine sichere Landung zu verschaffen, befanden sich dort nun mehrere außerordentlich spitze Nagelbretter, auf die sich mitunter asketische indische Heilige oder Fakire zum Staunen ihrer Zuschauer niederlassen.
»Darauf wäre ich nicht gern gelandet, Miss Philippa«, stellte Groanin fest. »Jedenfalls nicht ohne Rüstung.«
»Nein, wirklich nicht«, pflichtete Philippa ihm bei. »Merkwürdig, nicht?«
»Was ist merkwürdig?«, fragte Nimrod und wandte sich von dem Schacht und der Warmluftfontäne ab, die nach wie vor aus ihm herausschoss.
Philippa erklärte ihm, dass die Matratzen durch Nagelbretter ersetzt worden waren.
»Hm«, sagte Nimrod. »Bist du dir da ganz sicher?«
»Natürlich bin ich das«, sagte Philippa.
»Kein Zweifel«, bestätigte auch Groanin. »Sie könnten auch Miesito und Muddy fragen, wenn sie hier wären. Sie sind darauf gelandet.«
Nimrod ballte die Faust und dachte einen Augenblick nach. Dann murmelte er sein Fokuswort, öffnete die Hand und zum Vorschein kam eine schwarze Schachfigur.
»Was ist denn das?«, fragte Groanin.
»Eine Schachfigur«, sagte Nimrod. »Aus einem englischen Staunton-Schachsatz; dem besten, den es gibt, natürlich. Eine schwarze Königin, um genau zu sein.«
»Das sehe ich«, sagte Groanin.
»Dann verstehe ich nicht, warum Sie fragen.«
»Ich wollte wissen, was Sie damit vorhaben.«
»Ein Experiment durchführen, alter Knabe.«
Nimrod legte die Schachfigur auf den Boden und zog mit einem Kreidestück aus seiner Hosentasche einen sauberen Kreis rundherum. Der Kreis war kaum vollendet, als aus der schwarzen Königin auch schon ein weißer König geworden war.
»Das dachte ich mir«, sagte Nimrod. »Es scheint, als hätte Manco Cápac, als er diesen Ort schuf, einen Enantiodromia-Wunsch beziehungsweise -Fluch damit verknüpft. Um ihn vor der Kraft anderer Dschinn zu schützen.«
»Was zum Teufel ist ein Enantiodromia-Wunsch?«, fragteJohn, der noch nie davon gehört hatte, obwohl er das Bagdad-Regel-Kompendium von vorn bis hinten durchgelesen hatte. Allerdings war ihm, als hätte er den Begriff »Enantiodromia« schon einmal gehört. Möglicherweise war es das Fokuswort eines anderen Dschinn.
»Das ist eigentlich ganz einfach«, sagte Nimrod leichthin. »Es bedeutet, was immer du dir wünschst, du bekommst genau das Gegenteil davon. Wünschst du dir Schwarz, erhältst du Weiß und so weiter. Manco Cápac muss ein ganz schöner Fuchs
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